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Zu israelfreundlich für das Deutschlandradio?

Von Alex Feuerherdt

Der öffentlich-rechtliche Hörfunksender DRadio Wissen hat den Beitrag einer Journalistin über zwei junge Jüdinnen abgelehnt, die Israel in ein positives Licht rücken. Dafür macht er „handwerkliche“ Gründe geltend. Die Autorin selbst stellt die Sachlage jedoch gänzlich anders dar.

Zu israelfreundlich für das Deutschlandradio?
Foto: Simon Akstinat

Eigentlich ist es eine schöne Geschichte, lebendig und erzählenswert. Pola Sarah Nathusius, eine 27 Jahre alte Journalistin aus Frankfurt am Main, geht im Herbst des vergangenen Jahres mit einem Stipendium für ein Vierteljahr nach Israel. Dort reist sie durchs Land und arbeitet sowohl für einen internationalen Fernsehsender als auch für verschiedene deutsche Medien. Während dieser drei Monate wohnt Nathusius in Tel Aviv und lebt dort in einer WG mit zwei gleichaltrigen Frauen zusammen, Katja und Lili. Beide sind zehn Jahre zuvor in den jüdischen Staat eingewandert – Katja aus der Ukraine, Lili aus Russland –, haben die israelische Staatsbürgerschaft angenommen und ihren Wehrdienst bei der israelischen Armee geleistet. Die Journalistin hat ihre Mitbewohnerinnen porträtiert, die Texte sind bei Bento, dem Jugendformat von Spiegel Online, und auf dem Webportal Israelnetz erschienen. Sie vermitteln einen authentischen und positiven Eindruck vom Leben in Israel, von der Bedeutung dieses Landes für die beiden jungen Jüdinnen, von ihrer Zeit beim Militär und von ihrer Integration in die israelische Gesellschaft.

Auch DRadio Wissen, das dritte Programm des Deutschlandradios, will einen kurzen Beitrag über die beiden Israelinnen Katja und Lili haben. Nathusius fertigt auftragsgemäß ein Sendemanuskript an, doch das wird abgelehnt – nach „etlichen unkoordinierten Gesprächen“ und einer „Mailkorrespondenz mit insgesamt vier Redakteurinnen und Redakteuren“, wie die Autorin in einer Erklärung schreibt, die Mena-Watch vorliegt. Die Redaktion habe von ihr mehr Distanz zu den Ansichten der Protagonistinnen eingefordert und Vorschläge unterbreitet, wie das konkret aussehen sollte: „In Richtung: schwer traumatisierte Ex-Soldatinnen, die ihr Wehrdienst beim israelischen Militär schwer mitgenommen hat, weil sie womöglich ‚anderen Menschen Tod gebracht‘ haben“, so Nathusius. Doch das sei nicht die Geschichte von Katja und Lili. Diese liebten Israel und hielten es für selbstverständlich, zur Armee zu gehen. Sie habe diese Position nicht werten, sondern den Hörern die Einschätzung überlassen wollen, sagt die Journalistin.

Damit sei die verantwortliche Redakteurin für die Sendung aber nicht einverstanden gewesen. Nathusius zufolge sagte sie, man wandere ja nicht einfach nach Israel aus, „nur weil vor 2000 Jahren mal Leute aus dem gleichen Land kamen. Deswegen gehe ich doch nicht in ein anderes Land, werde Scharfschützin und schieße Menschen ab.“ In einem Telefonat habe die Redakteurin verlangt, die beiden israelischen Frauen genauso zu hinterfragen wie Menschen, die sich an Pegida-Demonstrationen beteiligen oder aus Deutschland nach Syrien in den Dschihad ziehen. Solche Vergleich wollte Nathusius aber nicht anstellen. Der Jüdischen Allgemeinen sagte sie, ein Redakteur habe zudem eigenmächtig die übersetzten Äußerungen der Frauen verändert, ohne deren Originaltöne gehört zu haben.

 

Wirklich nur „handwerkliche“ Gründe?

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Daniel Killy

Der Autor des Beitrags in der Jüdischen Allgemeinen, Daniel Killy, berichtet, er habe versucht, im Zuge der Recherche für seinen Text auch die zuständige Redakteurin zu der Angelegenheit zu befragen, jedoch keinen Erfolg gehabt. Statt einer Antwort sei lediglich ein E-Mail-Irrläufer eingetroffen. Später habe sich zwar der Programmleiter von DRadio Wissen, Ralf Müller-Schmid, bei ihm gemeldet. Aber nicht, um auf seine Fragen einzugehen, so Killy, sondern um zu schreiben: „Bitte stellen Sie sich freundlicherweise kurz vor und begründen ggf. Ihr berufliches Interesse.“ Auf eine weitere Mail von Killy, in der gestanden habe, dass schon in der ersten Anfrage der vollständige Absender samt Berufsbezeichnung zu lesen war, habe es wiederum keine Reaktion gegeben.

Nach der Veröffentlichung von Killys Text in der Jüdischen Allgemeinen äußerte sich DRadio Wissen schließlich doch noch, nämlich in Form einer Stellungnahme auf seiner Website. Darin heißt es, man weise den Zensurvorwurf entschieden zurück. Nathusius‘ Beitrag sei „nicht aus inhaltlichen, sondern aus handwerklichen Gründen“ von der Redaktion abgelehnt worden. Trotz eines „intensiven Austauschs der betreuenden Redakteurin mit Frau Nathusius“ hätten die journalistischen Bedenken nicht ausgeräumt werden können. Die Redaktion habe das Beitragsmanuskript nicht als zu wenig kritisch gegenüber Israel bemängelt, keine O-Töne korrigiert und der Autorin auch keine „antisemitischen, antiisraelischen und antizionistischen Formulierungen in den Mund gelegt“. Gegen anderslautende Aussagen behalte man sich rechtliche Schritte vor.

Das heißt: DRadio Wissen stellt die Vorwürfe der Journalistin rundweg in Abrede und macht ausschließlich formale Gründe für die Zurückweisung des Manuskripts geltend. Pola Sarah Nathusius bleibt jedoch bei ihrer Darstellung. Die „herabwürdigende Stellungnahme, die Ablehnung der Reportage habe ‚handwerklichen Gründe‘“, weise sie zurück, schreibt sie in ihrer Erklärung. Schließlich hätten andere deutsche Medien ähnliche Geschichten von ihr ohne Bedenken veröffentlicht. Zudem haben sie vom Deutschlandradio bis heute kein Ausfallshonorar erhalten, „noch nicht einmal die zugesagte, knappe Aufwandsentschädigung“.

 

„Israelkritische“ Schlagseite

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Katja und Lili, die Protagonistinnen des geplanten Porträts

Stehen sich hier auch zwei Aussagen in einem fundamentalen Widerspruch gegenüber, der für Außenstehende nicht aufzulösen ist, so erscheint es nach der Lektüre von Nathusius‘ Texten für Bento und Israelnetz doch zumindest verwunderlich, dass unüberwindliche journalistische Mängel zur Ablehnung des Sendemanuskripts geführt haben sollen – selbst wenn man berücksichtigt, dass ein öffentlich-rechtlicher Radiobeitrag etwas anderes ist als ein Artikel für Online-Medien. Der Journalistin sind jedenfalls inhaltlich wie sprachlich sehr lesenswerte Porträts der beiden israelischen Frauen Katja und Lili gelungen, und im Beitrag für Bento hat sie zudem ihre eigenen Erlebnisse in Israel auf reflektierte Weise geschildert. Es fällt deshalb schwer, sich vorzustellen, dass die journalistischen Hürden von DRadio Wissen zu hoch für Nathusius waren, die mittlerweile als Volontärin für den Hessischen Rundfunk arbeitet.

Dass das Manuskript aus inhaltlichen Gründen abgewiesen wurde, scheint da schon plausibler. Denn so, wie die öffentlich-rechtlichen deutschen Medien generell eine stark „israelkritische“ Schlagseite haben, so dominieren auch in den Programmen des Deutschlandradios ganz eindeutig jene Beiträge, die am jüdischen Staat kein gutes Haar lassen. DRadio Wissen bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Um nur einige Beispiele zu nennen: Ein Beitrag über „Waffenkurse für Touristen“ vermittelt das Bild einer militarisierten, schießwütigen israelischen Gesellschaft; in einem anderen, der sich mit dem Gazakrieg des Jahres 2014 befasst und den Titel „Was Israel wirklich will“ trägt, wird einmal mehr nicht der Terror der Hamas als Grund für den Waffengang benannt, sondern „die israelische Besatzung“. Gern gesendet werden auch Stimmen, die „gegen Netanyahu, gegen die Mainstream-Politik, gegen die Besetzung palästinensischer Gebiete, gegen den Militärdienst“ sind.

Die von Pola Sarah Nathusius interviewten Frauen dagegen, die aus Überzeugung ihren Militärdienst im jüdischen Staat geleistet haben, sich als Zionistinnen verstehen und Israel in Wort und Tat verteidigen, nahm man nicht ins Programm. Es fällt schwer zu glauben, dass das lediglich „handwerkliche“ Gründe hatte.

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