Worum es Sigmar Gabriels israelischer Lieblings-NGO wirklich geht

Von Stefan Frank

Breaking the Silence (BtS) ist eine israelische „Nichtregierungsorganisation“, hinter der europäische Regierungen als Geldgeber stehen. Vorgeblich geht es BtS darum, von israelischen Soldaten verübte Verbrechen ans Licht zu bringen. In Wahrheit aber decke BtS diese Geschichten nicht auf, sondern erfinden sie, argwöhnen Kritiker seit langem; Untersuchungen von Journalisten zeigen: Viele der angeblichen Zeugenaussagen sind entweder nachweislich falsch oder lassen sich nicht verifizieren.

Der Sprecher der Organisation, Dean Issacharoff, hat den Verdacht, seine Gruppe verkaufe Fiktionen als Fakten, nun offenbar unfreiwillig bestätigt. Issacharoff hatte auf einer öffentlichen Veranstaltung einem Publikum erzählt, wie er als Offizier bei einem Einsatz in den „besetzten Gebieten“ einen Palästinenser, den er zuvor festgenommen habe, mit dem Knie ins Gesicht und gegen die Brust gestoßen habe, so dass dieser geblutet und das Bewusstsein verloren habe. Er fügte hinzu, dass es für die von ihm eingesetzte Gewalt „keinen operativen Grund“ gegeben habe.

Nachdem ein Video dieser öffentlichen Selbstbezichtigung im Internet aufgetaucht war, gab es Strafanzeigen gegen Issacharoff – unter anderem von Justizministerin Ayelet Shaked. Sie war aber keineswegs die einzige, die Anzeige erstattete, der Bericht von YnetNews spricht von „einer Menge“. Die Staatsanwaltschaft sah sich gezwungen, Ermittlungen gegen Issacharoff wegen der von ihm selbst behaupteten Straftat einzuleiten. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass es unter den Einsätzen, an denen Issacharoff teilgenommen habe, nur einen Fall gebe, auf den Issacharoffs Angaben zutreffen könnten: die Verhaftung eines Mannes namens Hassan Julani, der im Februar 2014 festgenommen wurde, nachdem er Steine auf Soldaten geworfen hatte. Julani sagte bei der Befragung aus, dass er zwar sehr wohl verhaftet worden, dass dabei aber keine Gewalt ausgeübt worden sei. Weder sei er getreten worden, noch habe er geblutet oder Schwindel gehabt.

„Dies wirft einmal mehr ein Licht auf die Frage der Zuverlässigkeit der von Breaking the Silence und anderen Organisationen verbreiteten Statements“, sagt Olga Deutsch, Europadirektorin der Organisation NGO Monitor, die sich für mehr Transparenz im israelischen NGO-Sektor einsetzt, gegenüber Mena Watch. „Es ist generell sehr wichtig, darauf zu bestehen, Berichte von NGO genau nachzuprüfen, doch besonders gilt dies im Zusammenhang der komplexen Umstände, wie es sie im arabisch-israelischen Konflikt gibt.“ Die Recherchen von NGO Monitor zeigten ein „Muster“: NGOs missbrauchten ihren Status als „humanitäre“ oder Menschenrechtsorganisation“, um „politisierte Narrative“ zu fördern. „Transparenz und Verantwortlichkeit sollten die Mindestanforderung sein, die an alle NGOs gestellt wird“, so Deutsch.

Issacharoff: Habe jemand anders misshandelt!

Worum es Sigmar Gabriels israelischer Lieblings-NGO wirklich geht
Avner Gvaryahu (Quelle: Twitter)

Unterdessen verbreiten Issacharoff und Breaking the Silence eine Gegendarstellung: Die von der Staatsanwaltschaft befragte Person, Hassan Julani, sei die falsche gewesen; Issacharoff habe in Wirklichkeit eine andere Person misshandelt. Die „Wahrheit“ wäre „ans Licht gekommen“, sagt der Vorstandsvorsitzende von BtS, Avner Gvaryahu, „wäre die Angelegenheit vor Gericht gekommen“. Zudem veröffentlichte BtS auf Facebook ein Video, auf dem zu sehen sein soll, wie Issacharoff im März 2014 in Hebron einen mit Plastikhandschellen gefesselten Mann abführt – dies soll nun das tatsächliche Opfer Issacharoffs sein, was in dem Video von einem Mann, der ein damaliger Kamerad Issacharoffs sein soll, bestätigt wird.

Das wirft die Frage auf, warum BtS dieses Video erst jetzt, nach dem Ende der Ermittlungen, veröffentlicht. Hätte Issacharoff nicht sogar mit gutem Beispiel vorangehen und Anzeige gegen sich selbst erstatten können, damit der – nunmehr drei Jahre zurückliegende – Fall vor Gericht verhandelt  wird und Issacharoff die Verantwortung für sein Tun übernehmen könnte?

Skurril ist auch, dass Issacharoff und BtS so empört darüber sind, dass die Staatsanwaltschaft gegen Issacharoff ermittelt hat. Hatten sie geglaubt, man könne in einem Rechtsstaat mit Straftaten prahlen, ohne juristische Verfolgung fürchten zu müssen? Noch absurder aber ist, dass es sie noch mehr empört, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen fehlender Schuld eingestellt hat. Auf der BtS-Facebookseite ist von einem „Schauprozess“ die Rede. Dabei könnte der Unterschied zwischen einem Schauprozess, wie es ihn in Stalins Russland gab, und einem Verfahren, das wegen fehlender Schuld eingestellt wird, nicht größer sein: Das eine ist gewissermaßen das Gegenteil des anderen.

Dass Justizministerin Ajelet Shaked  die Staatsanwaltschaft angewiesen hatte, Issacharoffs Selbstbezichtigung nachzugehen und gegebenenfalls ein Verfahren einzuleiten, ist für BtS etwas besonders Verwerfliches: „Die Ermittlung wurde im Juni auf Verlangen Shakeds eröffnet, die den beispiellosen Schritt unternahm, ihre Position auszunutzen, um unverhohlen Einfluss auf die Staatsanwaltschaft zu nehmen, um diese in den Dienst ihrer politischen Interessen zu stellen“. Was BtS hier als ein Verhalten darstellt, das einer Diktatur würdig ist, ist in Demokratien gang und gäbe: das ministerielle Weisungsrecht gegenüber der Anklagebehörde. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass die Exekutive, zu der die Staatsanwaltschaft (anders als die Gerichte) gehört, dem Parlament verantwortlich ist. Wieder kein Skandal also. Überhaupt ist zu fragen, ob BtS nicht froh darüber sein müsste, dass das Fehlverhalten von Soldaten juristisch geahndet wird? Aus Sicht von Issacharoff und BtS lautet die Antwort: Nein.

BtS: Keine Verantwortung des Einzelnen

BtS hatte nie ein Interesse daran, etwaige Straftaten israelischer Soldaten zur Anzeige zu bringen. Die Organisation verfolgt höhere politische Ziele und stellt zu eben diesem Zweck Issacharoff und jedem, der in Ausübung des Militärdienstes Straftaten gegen Zivilisten verübt, einen Persilschein aus, der lautet: „Jeder, der glaubt, die Besatzung könne ohne Gewalt durchgeführt werden, lebt in einer Traumwelt.“ So sagt es Avner Gvaryahu.

Diese These zu vertreten, setzt eine ungewöhnliche Moral und Rechtsauffassung voraus: Demnach wäre, hätte Issacharoff tatsächlich einen wehrlosen Mann bis zur Bewusstlosigkeit misshandelt, gar nicht Issacharoff selbst für die Tat verantwortlich, sondern „die Besatzung“. Tatsächlich glaubt Issacharoff, dass er keine Kontrolle über sein Tun gehabt habe: „Diese Hände wurden benutzt, um Palästinenser in den Gebieten zu schlagen. … Wenn ich die Verantwortung dafür übernehme, dann müssen sie die Verantwortung dafür übernehmen, dass sie uns geschickt haben, um in den Gebieten zu dienen.“

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Dean Issacharoff (Quelle: Youtube)

Die Aussage ist widersprüchlich: Issacharoff übernimmt ja in Wahrheit gar keine Verantwortung für seinen (angeblichen) Gewaltausbruch. Seine Hände wurden „benutzt“ – wohlgemerkt ohne dass er so weit gehen würde, zu behaupten, ein Vorgesetzter hätte ihn zu seiner angeblichen Tat gezwungen. Warum Issacharoff die Entscheidung getroffen hat, einen Verhafteten zu misshandeln, sagt er nicht – er akzeptiert nicht einmal, dass es eine Entscheidung, seine Entscheidung war.

Es gibt für BtS keine persönliche moralische Verantwortung, jedenfalls nicht, wenn man israelischer Soldat ist. Dann ergreift eine mysteriöse Macht die Kontrolle über das Handeln, will die Organisation in ihrer Propaganda glauben machen. Ein Beitrag auf der linksgerichteten, den Zielen von BtS nahestehenden israelischen Website 972mag – die von der Bundesrepublik Deutschland über die grüne Heinrich-Böll-Stiftung finanziert wird – bringt es auf den Punkt: „Der ganze Sinn von Breaking the Silence ist, dass die militärische Besatzung in den Gebieten selbst das Problem ist, und dass Ungerechtigkeiten ein angeborener Teil dieser Situation sind, nicht außergewöhnliche Vorkommnisse oder ‚faule Äpfel’“.

Einsatz für EU-Interessen

Mit anderen Worten: Breaking the Silence geht es gar nicht darum, was israelische Soldaten tun – vielmehr ist ihre bloße Anwesenheit jenseits der Waffenstillstandslinie von 1949 ein Dorn im Auge; die vorgeblichen Erlebnisberichte einzelner Soldaten, in denen vermeintliche Kriegsverbrechen geschildert werden, sollen nicht dazu führen, dass es keine derartigen Taten mehr gibt (oder die Täter zur Verantwortung gezogen werden), sondern sie sollen im Ausland so große Empörung verursachen, dass die israelische Regierung gezwungen ist, die Soldaten aus allen Gebieten, die jenseits der Waffenstillstandslinie von 1949 liegen, abzuziehen.

Worum es Sigmar Gabriels israelischer Lieblings-NGO wirklich geht
By Moritz Kosinsky, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29669573

Selbst in Hebron, wo die dauerhafte Präsenz von Israelis durch einen Vertrag mit der Palästinensischen Autonomiebehörde bilateral abgesegnet ist, soll es keine israelischen Soldaten mehr geben. Was aber würde passieren, wenn es an einem Ort wie Hebron keine israelischen Soldaten mehr gäbe, die die jüdischen Zivilisten beschützen? Dann würden die dortigen Juden ermordet werden, die Kinder zuerst. Mit den Soldaten müssten also auch die jüdischen Zivilisten abziehen; das Ziel von Breaking the Silence ist mithin, die Waffenstillstandslinie von 1949 zu etwas zu machen, das sie nie war: zur israelischen Staatsgrenze. Die Konsequenz wäre, dass 400.000 Juden, die auf der „falschen“ Seite wohnen, in den Rumpfstaat deportiert werden müssten.

Dieses politische Ziel ist der Grund, warum europäische Regierungen Breaking the Silence finanzieren und warum Bundesaußenminister Sigmar Gabriel so erpicht darauf war, bei seinem Besuch in Israel einen Fototermin mit seinen politischen Vertretern vor Ort zu arrangieren. Im Dienst von EU-Interessen liefern die BtS-Mitarbeiter die Storys, für die sie bezahlt werden – selbst wenn sie sich dazu Taten bezichtigen müssen, die sie gar nicht begangen haben.

Wie geht es jetzt in dem Fall jetzt weiter? Da neue Beweise aufgetaucht sind, kann die Staatsanwaltschaft den Fall erneut prüfen. Dann könnte Anklage gegen Issacharoff erhoben werden. Stellt das Gericht seine Schuld fest, wird er verurteilt, zu einer Geld- oder Haftstrafe. Nach dem, was wir über die wahren Motive von Breaking the Silence wissen, können wir mit Sicherheit annehmen, dass Issacharoff auch dann wieder nicht zufrieden sein wird. Egal, ob Issacharoffs Unschuld oder seine Schuld festgestellt wird, beides wird aus seiner Sicht und der von BtS gegen Israel sprechen. Der Staat Israel ist der Einzige, den Breaking the Silence auf der Anklagebank sehen will.

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