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„Was geht das mich an?“ Palästinensische Stimmen über eine US-Botschaft in Jerusalem

Von Florian Markl

Geht es nach dem palästinensischen Chef-Verhandler Saeb Erekat, würde die Verlegung der amerikanischen Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem den „Friedensprozess“ zerstören und den gesamten Nahen Osten in „Chaos, Rechtlosigkeit und Extremismus“ stürzen. Anstatt diese implizite Drohung mit einer neuen Terrorwelle für bare Münze zu nehmen, hat sich die Jerusalem Post in Jerusalem umgehört. Das Ergebnis dürfte viele überraschen, die sich ihr Bild von der Lage vor Ort nur aus Stellungnahmen westlicher Politiker oder Berichten aus den Medien machen: Den Palästinensern auf der Straße könnte die Frage nach dem Standort der amerikanischen Botschafter kaum egaler sein, Protest gegen eine Verlegung bekam die Jerusalem Post nur von israelischen Linken zu hören.


Was interessiert mich das?

Ein Post-Reporter befragte über zwei Dutzend Palästinenser beim Damaskus-Tor, einem der Zugänge zur Altstadt Jerusalems. Ein rund 60-jähriger Palästinenser meinte auf die Frage, was er von einer Verlegung der US-Botschaft halte:

„Das geht mich nichts an. Warum sollte mich interessieren, wo sich die Botschaft befindet? Mein Leben würde sich dadurch um nichts verändern.“

Eine 18-jährige Jugendliche fragte:

„Die US-Botschaft ist in Tel Aviv? Und sie wollen sie nach Jerusalem verlegen? So what?“

Eine andere Palästinenserin wusste ebenfalls nicht, wo sich die diplomatische Vertretung aktuell befindet, und hatte auch nichts von den Diskussionen über eine mögliche Verlegung mitbekommen:

„Das ist mir neu. Ich verstehe nicht, warum das von Bedeutung sein soll. Ich glaube, die meisten Bewohner Ost-Jerusalems wissen weder, wo sich die Botschaft befindet, noch interessiert es sie.“

Ein 40-jähriger palästinensischer Taxifahrer bezeichnete die Frage, was er von den Umzugsplänen halte, kurz und bündig als „dumm“:

„Verschwenden Sie nicht meine Zeit mit so unwichtigen Dingen. Es gibt wichtigere Dinge, die mich beschäftigen.“

Was auch immer die Befragten von Israel und dem Friedensprozess halten mögen, interessierten sie sich offenkundig wenig für eine Frage, der bestenfalls symbolische Bedeutung beigemessen werden kann und die in der Realität so gut wie keine praktischen Auswirkungen auf ihre Lebensumstände hat. Genau solche Fragen, vom Protest gegen die Balfour-Deklaration bis zum Botschaftsumzug, sind es freilich, auf die sich die palästinensische Führung in ihren internationalen Bemühungen konzentriert – mangels nennenswerter sonstiger Leistungen hat sie der eigenen Bevölkerung nichts anderes anzubieten.


Allzweck-Argument „Frustration“

Widerspruch gegen die Verlegungspläne bekam die Jerusalem Post nicht von Palästinensern auf der Straße zu hören, sondern von linksgerichteten jüdischen Israelis – die natürlich auch sofort eine „Erklärung“ parat haben, warum sich die Palästinenser für die Frage des Botschaftsstandortes nicht interessieren: Sie seien, wie der Meretz-Stadtrat Meir Margalit sofort erläutern konnte, so „frustriert“ über die Haltung der Amerikaner, dass sie sich gar nichts mehr von ihnen erwarteten. Anders als die interviewten Palästinenser wäre die Verlegung der Botschaft für Margalit ein „großer Fehler“.

Bezeichnend an dem „Frustrationsargument“ ist, dass mit ihm alles und sein Gegenteil erklärt werden kann. Interessieren sich die Palästinenser nicht für den Umzug, soll das das Ergebnis ihre „Frustration“ sein; würden sie freilich lautstark dagegen protestieren, wäre das selbstverständlich auch eine Folge ihrer „Frustration“. Grassiert gerade wieder einmal eine palästinensische Terrorwelle gegen jüdische Israelis, wird diese zur unausweichlichen Konsequenz der „Frustration“ über den Stillstand im Friedensprozess erklärt; ist die Lage dagegen ruhiger, so führe die „Frustration“ eben zu einem Mangel an Aktivität und einer apathischen Haltung. Das Allzweck-Argument „Frustration“ ist so praktisch, weil es völlig unabhängig von jeweils aktuellen Vorgängen einsetzbar ist.

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