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Universität Göttingen: Antisemiten rein, Kritiker raus

Universität Göttingen

Von Alex Feuerherdt

Die Universität Göttingen wird in Kürze die „Nakba“-Ausstellung zeigen, ein demagogisches Werk, mit dem der jüdische Staat dämonisiert und seine Gründung zu einem Akt des Unrechts herabgewürdigt wird. Damit macht die Hochschule ihre politischen Präferenzen ein weiteres Mal deutlich: Schon seit Monaten versucht sie außerdem, einen der profiliertesten Antisemitismusforscher von seinem Lehrstuhl zu verjagen.

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Universität Göttingen

Beim Verein „Flüchtlingskinder im Libanon“, der im baden-württembergischen Pfullingen seinen Sitz hat, wird man sich gewiss die Hände gerieben haben, als die Einladung aus Göttingen kam. Denn seine seit 2008 existierende Wanderausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ wurde zwar schon an rund 130 Orten gezeigt, aber eine Universität war bislang nicht darunter. Einem wissenschaftlichen Anspruch hält die Ausstellung auch nicht stand, selbst wenn ihr Ton scheinbar sachlich und vermeintlich an den Fakten orientiert ist. Doch sogar historisch unstrittige Fakten werden durch Auslassungen, Verkürzungen und Verdrehungen grob verfälscht.

So erfährt man etwa über den für die palästinensische Politik eminent wichtigen Großmufti und Nazi-Kolla­bora­teur Hajj Amin el-Husseini genauso wenig wie über die eliminatorischen Hintergründe und Ziele des arabischen Angriffs auf Israel nur einen Tag nach der Proklamation des jüdischen Staates. Auch die antisemitischen Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in den 1920er und 1930er Jahren sowie die Aktivitäten arabischer Terrorgruppen finden keinerlei Erwähnung. Vermeintlich entlarvende Aussagen israelischer Politiker dagegen werden ausführlich zitiert, dabei aber häufig entweder grotesk dekontextualisiert oder völlig sinnentstellend wiedergegeben.

Die Ausstellungsmacher präsentieren die Araber respektive Palästinenser durchweg als so unschuldige wie harmlose Opfer einer generalstabsmäßig geplanten zionistischen Aggression, die in der „Nakba“ – also der „Katastrophe“ der israelischen Staatsgründung und der angeblich a priori vorgesehenen Flucht und Vertreibung der arabischen Bevölkerung – kulminiert habe. Sie versteigen sich sogar zu der Behauptung, bereits die jüdische Einwanderung nach Palästina lange vor 1948 habe „für die einheimische arabisch-palästinensische Bevölkerung […] das drohende Ende der Aussicht auf nationale Selbstbestimmung“ bedeutet.

Vor diesem Hintergrund erscheinen dann selbst antijüdische Pogrome wie das Massaker von He­bron im Jahr 1929 als zwar vielleicht unschöne, aber letztlich doch verständliche Notwehrmaßnahme. Der antisemitische Subtext ist unschwer zu erkennen: Juden sollen demnach auf dem heiligen muslimischen Territorium prinzipiell nichts verloren haben, und sie sollen nur deshalb gekommen sein, um die arabischen Ureinwohner Palästinas von ihrer heimischen Scholle zu verjagen. Israel ist in dieser Sichtweise per se ein Unrechtsstaat.

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Shlomo Avineri

Dass die arabischen Palästinenser ihre „nationale Selbstbestimmung“ bereits 1948 hätten haben können, muss angesichts dessen zwangsläufig verschwiegen oder geleugnet werden – genauso wie eine weitere Tatsache, die der israelische Publizist und Politikwissenschaftler Shlomo Avineri aussprach, als er sagte: „Nicht die Gründung des Staates Israel schuf das Flüchtlingsproblem, sondern der Krieg der Araber gegen die Gründung des jüdischen Staates. […] Hätten die Palästinenser und die arabischen Staaten den Teilungsbeschluss [der Vereinten Nationen] akzeptiert, wäre Palästina schon seit 1948 ein unabhängiger Staat, und das Problem der Flüchtlinge hätte nie existiert.“ Die „Nakba“, so Avineri weiter, sei kein Unglück gewesen, sondern vielmehr „das Ergebnis einer militärischen und politischen Niederlage, die von politischen Entscheidungen herrührt, für die es Verantwortliche gab“.

 

Hamas-Apologie und „Israelkritik“

Das ist eigentlich eine unhintergehbare Wahrheit, aber das Seminar für Arabistik und Islamwissenschaft sowie das Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Göttingen halten es dennoch für eine gute Idee, die „Nakba“-Ausstellung im November an ihre Hochschule zu holen. Bei der Eröffnungsveranstaltung soll sogar der Dekan der Philosophischen Fakultät sprechen. Außerdem kommt Udo Steinbach zu Wort, ein Islamwissenschaftler, der die Hamas nicht für eine Terrororganisation hält, sich an keinen einzigen Anschlag dieser Truppe in den Neunzigerjahren erinnern kann (oder will) und in Bezug auf Israel immer wieder mit kruden antisemitischen Äußerungen aufgefallen war, bevor er vor einigen Jahren in der verdienten Versenkung verschwand, aus der ihn Göttinger Arabisten und Kriminalwissenschaftler nun wieder hervorholen.

Dass sie das aus einer recht eindeutigen politischen Motivation heraus tun, haben die Studentenvertretung der Uni Göttingen und der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften in einem gemeinsamen offenen Brief deutlich gemacht. Darin weisen sie darauf hin, dass die Islamwissenschafts-Professorin Irene Schneider – sie ist die Hauptverantwortliche für die Veranstaltungsreihe „Naher Osten – Ferner Frieden?“, in deren Rahmen die „Nakba“-Ausstellung gezeigt wird – bereits im vergangenen Jahr durch die Einladung der Hamas-Apologetin Helga Baumgarten aufgefallen ist.

Nun hat Schneider neben der „Nakba“-Ausstellung noch weitere israelfeindliche Veranstaltungen organisiert, beispielsweise einen Vortrag von Rolf Verleger, einem der in Deutschland populärsten jüdischen Kronzeugen der Anklage gegen Israel und notorischen Antisemitismusverharmloser. Verleger wird seinem geneigten Publikum wie gewünscht ein reines Gewissen verschaffen, indem er die Hauptfrage seines Referats – „Gibt es Zusammenhänge zwischen der Unterstützung der palästinensischen Position und der Abneigung gegen Juden?“ – ohne zu zögern mit Nein beantworten wird, obwohl das Gegenteil offensichtlicher kaum sein könnte.

„Solchen Positionen, auch und gerade in das Gewand der Wissenschaftlichkeit gehüllt, darf weder an dieser Uni noch sonst wo Raum gegeben werden“, schreiben die Göttinger Studentenvertretung und der Fachschaftsrat in ihrem offenen Brief. Sie fordern die Veranstalter auf, die Reihe abzusagen, und erwarten vom Präsidium ihrer Hochschule, „bei diesem erneuten Aufkommen antiisraelischer Propaganda endlich zu handeln und diese Reihe nicht zuzulassen“. Eine Universität, „an der Faschisten und Antisemiten wie der Hamas in aller Öffentlichkeit das Wort geredet wird“, habe „jeden Anspruch einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft verloren“.

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Stanislav Skibinski

Auch die Europäische Janusz-Korczak-Akademie findet deutliche Worte: „Wer diese geschichtsrevisionistische Ausstellung zeigt, ohne sie als heuchlerische Propaganda, die sie ist, bloßzustellen, setzt damit ein klares antiisraelisches Statement“, sagt ihr Direktor Stanislav Skibinski. Veranstaltungen mit Steinbach und Verleger zu organisieren, spreche ebenfalls Bände, meint Programmdirektor Alexander Rasumny: „Wer solche Referenten einlädt, möchte zum Thema keinen kritischen Dialog führen, sondern nur die Bestätigung der eigenen Vorurteile.“

 

Profilierter Antisemitismusforscher soll gehen

Nach Gesprächen mit der Studentenvertretung und dem Fachschaftsrat hat die Universität den Beginn der Ausstellung schließlich um eine Woche verschoben. Sie gebe damit „den Studierenden, die die Absage forderten, Zeit, eine eigene, zusätzliche Veranstaltung vorzubereiten“, wie das Göttinger Tageblatt schreibt. Möglicherweise wird es außerdem eine Podiumsdiskussion zwischen der Hochschule und den Kritikern geben. Das klingt zwar entgegenkommend und demokratisch, hat aber einen wesentlichen Haken: Die Darstellung der historischen Geschehnisse in der Ausstellung – die nicht „nur“ fragwürdig, sondern vielfach schlicht falsch und damit indiskutabel ist – behält so den Rang einer diskussionswürdigen Position.

Die Göttinger Uni, die eindeutig am längeren Hebel sitzt, will also keine historischen Tatsachen mehr kennen, sondern nur noch „Narrative“, das heißt: angeblich gleichwertige subjektive Erzählungen von „Betroffenen“. Ist dieser Ansatz schon grundsätzlich überaus zweifelhaft – weil es ihm nicht um die Wahrheit zu tun ist, sondern bloß um Befindlichkeiten und „Identitäten“ –, so führt er in Bezug auf den „Nahostkonflikt“ geradewegs zu einer Dämonisierung und Delegitimierung Israels: Aus einer scheinbar äquidistanten Haltung heraus werden Positionen legitimiert oder doch wenigstens für diskutabel gehalten, die dem Zionismus und dem jüdischen Staat letztlich die Existenzberechtigung absprechen, die Israelis zu Okkupanten, Räubern und Mördern machen und selbst unzweideutig judenfeindliche Mordtaten als mindestens verständliche „Widerstandshandlungen“ erscheinen lassen.

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Samuel Salzborn

Einer, der diesem postmodernen Unsinn stets energisch widersprochen und zudem immer wieder deutlich gemacht hat, inwieweit die populäre „Israelkritik“ eine moderne Form der Feindschaft gegen Juden ist, ist der renommierte Antisemitismusforscher Samuel Salzborn. Just ihn will die Universität Göttingen mit aller Macht loswerden, trotz zahlreicher heftiger Proteste von Fachkollegen, Studenten und Teilen der Öffentlichkeit. Dass die Behauptung der Hochschule, sie habe aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit, Salzborn weiter zu beschäftigen, unhaltbar ist und eine politische Motivation erheblich näher liegt, hat Matthias Künzel für Mena Watch schon im Sommer überzeugend dargelegt.

Durch die „Nakba“-Ausstellung und die dazu gehörige Veranstaltungsreihe lässt die Universität diese Motivation jetzt noch einmal deutlicher werden. Auf der einen Seite einen profilierten Kritiker des Antisemitismus, auch des israelbezogenen, vor die Tür setzen zu wollen und auf der anderen Seite israelfeindliche Propaganda in den Räumlichkeiten der Hochschule zu präsentieren: Das ist ein klares Statement gegen den jüdischen Staat sowie gegen jene, die sich der Kritik der Ideologie seiner Feinde verschrieben haben. Die Universität Göttingen hat sich damit auf der Seite dieser Feinde positioniert.

Tipp zum Weiterlesen: Jörg Rensmann: Der Mythos Nakba. Fakten zur israelischen Gründungsgeschichte. Herausgegeben von zehn Arbeitsgemeinschaften der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, August 2013.

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