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Peter Pilz gegen „die Silbersteins“

Peter Pilz beim Start des Wahlkampfs seiner Liste Peter Pilz
Peter Pilz beim Start des Wahlkampfs seiner Liste Peter Pilz (© Imago Images / CHROMORANGE)

Von Florian Markl

Auf einer Pressekonferenz erklärte Peter Pilz, es sei ihm „ein ganz großes Ziel in der Politik, Österreich silbersteinfrei zu machen. Und mir ist völlig egal, ob das rote Silbersteins, schwarze Silbersteins oder blaue Silbersteins oder von mir aus auch türkis gestreifte Silbersteins sind“. ORF-Journalist Armin Wolf war nicht der einzige, der an dieser Formulierung Anstoß nahm, als er auf Twitter ein historisches Foto postete, auf dem vor dem Eingang einer Synagoge ein Spruchband mit der Parole „Diese Stadt ist judenfrei“ zu sehen ist. „Ist es echt zu viel verlangt, dass sich Politiker daran erinnern?“, fragte Wolf. „Und derartige Anspielungen einfach bleiben lassen?“

Mittlerweile schrieb Pilz auf Twitter: „Ja, meine Formulierung war unsensibel, das bedaure ich.“ Einsichtig zeigt er sich dennoch nur bedingt: „Dass mir dafür Antisemitismus unterstellt wird, kann und will ich nicht akzeptieren.“ Dass ein erfahrener Politiker wie Pilz sich bemüßigt fühlte, sich wenige Tage vor der Wahl ins Rampenlicht zu stellen, indem er auf der antisemitischen Klaviatur spielte, ist freilich nicht als ein Fall mangelnder Sensibilität abzutun, sondern verweist auf den Kern des von ihm verfolgten Projekts eines ‚linken Populismus‘.


Populismus, rechts und links

Der Kern des Populismus liegt darin, ein Bild von der Gesellschaft zu zeichnen, die nur aus zwei Gruppen besteht: aus ‚Uns‘ und den ‚Anderen‘. Während ‚wir‘ gut, anständig und ehrlich sind, sind die ‚Anderen‘ böse, falsch, unehrlich, durchtrieben usw. ‚Unsere‘ Rettung hängt davon ab, die üblen Machenschaften der ‚Anderen‘ zu unterbinden. Gesellschaftliche Probleme und Phänomene werden dabei konsequent personalisiert: Schuld am Übel ist nicht etwas, sondern jemand.

Die sogenannten Rechtspopulisten haben es mit der Definition der ‚Anderen‘ recht einfach: Je nach Bedarf stehen Türken, Araber, allgemein Ausländer, Schwarze, Roma, Juden, ‚Sozialschmarotzer‘ usw. als Personengruppen zur Verfügung, die man an den Pranger stellen kann. Im aktuellen Wahlkampf bedient sich Sebastian Kurz dieses Diskurses, insofern er bei jedem Thema binnen weniger Sekunden auf Flüchtlinge und den Islam zu sprechen kommt, was dem Politologen Peter Filzmaier bei der Analyse einer TV-Debatte die treffende Bemerkung entlockte, Kurz hätte bei einer Diskussion über Verkehrspolitik „wahrscheinlich auch argumentiert, das verkehrspolitische Problem sind Burka-Trägerinnen, die illegal in zweiter Spur vor den Islam-Kindergärten parken.“

Peter Pilz gehört dagegen zu jenen Politikern, die sich explizit für einen linken Populismus stark machen. Sie akzeptieren das polarisierende und, wie Jan-Werner Müller hervorhebt, grundlegend anti-pluralistische und anti-demokratische Bild, das Populisten von der Gesellschaft zeichnen, nur sollen – gemäß der alten linken Parole: „Ausländer sind die falsche Adresse, haut den Bonzen in die Fresse!“ – die Schuldigen anders definiert werden.

Und hier liegt das Problem, das die Linkspopulisten anfällig für antisemitische Argumentationsmuster macht: Bei denjenigen, die sie als die Schuldigen anbieten, handelt es sich wahlweise um die bereits erwähnten ‚Bonzen‘, darüber hinaus um den Neoliberalismus, das Groß- oder Finanzkapital, Spekulanten, multinationale Konzerne, die USA, den Imperialismus usw. Alles also eher wenig greifbare Dinge, die sich im Sinne populistischer Vereinfachung schlecht personalisieren lassen. Es sei denn, man entlarvt diejenigen, die angeblich dahinter stecken – und als solche wurden historisch in aller Regel ‚die‘ Juden ausfindig gemacht.


Die üblichen Verdächtigen

Als Pilz dazu aufrief, Österreich „silbersteinfrei“ zu machen, ging es um aus seiner Sicht abzulehnende Wahlkampfpraktiken und „den Parteienstaat“. Er hätte einen bestimmten Stil anprangern und sich gegen ‚Schmutzkübelkampagnen‘ und ähnliches aussprechen können, doch wäre das eben zu wenig konkret gewesen. Die populistische Logik, der Pilz folgt, fordert eine Personalisierung ein – und die landete nicht zufällig bei dem unschwer als jüdisch zu identifizierenden Namen des Israelis Silberstein.

Wie Sebastian Reinfeldt bemerkt, bediente sich Pilz damit des Klischees des „skrupellosen Juden“, mit dem fragwürdige und unsaubere Geschäftspraktiken auf eine bestimmte Personengruppe „verschoben“ werden:

„Also steht diese Person – ein Silberstein – für alle skrupellosen Berater in Österreich: für den Puller so wie für den Fußi oder für den Misik, wenn man so möchte. Doch werden sie namentlich nicht erwähnt. Der Jude steht an ihrer Stelle – und genau das ist Antisemitismus.“

Mit Kritik an seiner Forderung nach einem „silbersteinfreien Österreich“ konfrontiert, verteidigte Pilz sich mit der Bemerkung: „Die österreichische Politik soll nicht nur silbersteinfrei, sondern auch sobotkafrei sein. Bin ich jetzt auch noch antitschechisch?“ Damit versuchte Pilz, der gerade ein Buch mit dem Titel „Heimat Österreich – ein Aufruf zur Selbstverteidigung“ veröffentlicht hat, den entscheidenden Punkt zu verwischen: Mit dem Namen des Innenministers hätte sein ‚Sager‘ nicht funktioniert, weil dieser nicht die Rolle des Außenfeindes einnehmen kann, der die Heimat Österreich bedroht.

Pilz weist entrüstet den Vorwurf zurück, bewusst antisemitische Ressentiments bedient zu haben. Doch seine persönliche Motivation spielt kaum eine Rolle. Mit seiner Forderung nach einem „silbersteinfreien Österreich“ bediente er eine jahrhundertelange historische Tradition, ob er es wollte oder nicht – den Antisemiten braucht man nicht ausdrücklich zu erklären, wer „diese Silbersteins“ sind. Mit seinem Versuch, auf linkspopulistische Manier ein gesellschaftliches Phänomen zu personalisieren, spielte er mit traumwandlerischer Sicherheit auf die an, die schon immer als die üblichen Verdächtigungen herhalten mussten.

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