Ein Guru der Boykottbewegung zu Besuch in Wien

Von David Kirsch

70 Jahre nach der Gründung Israels und 42 Jahre nach der Resolution 3379, die den Zionismus als eine „Form des Rassismus“ deklariert ist nun das Mantra vom „Apartheidstaat“ in vieler Munde. Einer der prominentesten Wortführer dieser Denunziation, Farid Esack, soll am 30. Juni in Wien sprechen.

Dämonisierung Israels

„Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) ist eine internationale Kampagne, die nach eigenen Angaben im Juli 2005 von über 170 palästinensischen Organisationen ins Leben gerufen wurde. Sie wird seit 2007 vom „Palestinian BDS National Committee“ koordiniert und versucht, wie der Name impliziert, international Boykott, Sanktionen und Desinvestitionen auf politischer, ökonomischer, kultureller und akademischer Ebene gegenüber dem jüdischen Staat zu erwirken. Unter den gelisteten Komitee-Mitgliedern der BDS-Webpräsenz werden an erster Stelle die „National and Islamic Forces in Palestine” genannt. Zu diesen zählt unter anderem auch das „Islamic Resistance Movement“, also die radikalislamistische Terrororganisation Hamas, der Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ) und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

Der österreichische Ableger BDS-Austria mobilisiert seit 2014 gegen den Staat der Shoahüberlebenden – unter anderem Namen tat man das allerdings schon sehr viel früher. Als Teil eines internationalen Netzwerks dient BDS-Austria als Dachverband unterschiedlicher antizionistischer Gruppierungen. Ein enger Partner von BDS-Austria ist hierbei der „Verein für friedenspolitische und antirassistische Initiative Dar al-Janub“, dessen Sprecher Oliver Hashemizadeh auch an vorderster Front für BDS-Austria aktiv ist. Wie Nikolai Schreiter in einem Beitrag auf malmoe.org darstellt, wurde Dar al-Janub im Oktober 2003 gegründet und ist aus der Gruppe „Sedunia“ hervorgegangen, welche noch bis etwa 2006 aktiv war. Diese Gruppierung störte, so hagalil.com, im November 2003 eine Gedenkkundgebung mit dem Holocaustüberlebenden Karl Pfeifer zur Erinnerung an das Novemberpogrom 1938 und denunzierte Israel dabei als „zionistisch-jüdische Kolonie“.

Während man damals noch von einer „rassistisch, kolonialen Siedlerbewegung des Zionismus“ sprach, welche das Ziel hätte, „das Arabische Palästina durch eine Kolonie jüdischer Eindringlinge“ zu ersetzen, versucht man heute sanftere Töne anzustimmen: „Whitewashing“ statt „kolonialistische Besatzung“, „Warenboykott“ statt „jüdische Eindringlinge“.

Ein Guru der Boykottbewegung zu Besuch in Wien
Flashmob von BDS Austria neben der Gedenkstätte der 1938 geschändeten Synagoge im Alten AKH in Wien

Ganz diesem scheinbar deeskalativen Stil verhaftet, soll auch das nächste Event vonstattengehen. So wird Farid Esack, Professor für Islamwissenschaften an der Universität Johannesburg, am 30. Juni 2017 im ARCOTEL Wimberger Hotel in Wien sprechen. Sein Engagement zur Niederringung der südafrikanischen Apartheid machte ihn 1994 zum Gleichstellungsbeauftragten in der Regierung Nelson Mandelas. Heute glaubt der islamische Befreiungstheologe die südafrikanische Apartheid im Nahen Osten entdecken zu können – und treibt als Vorstandsmitglied des BDS-Ablegers in Südafrika eifrig das Narrativ einer „israelischen Apartheid“ voran.

Unter seiner Regentschaft an der Universität Johannesburg kappte diese im März 2011 alle Verbindungen mit der israelischen Ben-Gurion Universität. Diese Boykottkampagne legte den Grundstein der BDS Bewegung in Südafrika unter Professor Esack. Zudem veranstaltet BDS Südafrika die jährliche „Israeli Apartheid Week“, in deren Rahmen BDS den Vorwurf gegenüber Israel erhebt, nicht-jüdische Bürger und Bürgerinnen mittels eines der Apartheid in Südafrika ähnlichen Regimes systematisch zu diskriminieren und zu unterdrücken.

Die Dämonisierung Israels feiert auf diesen international stattfindenden Events fröhliche Urständ’. So wurde etwa 2010 bei einer Kundgebung in New York von antiisraelischen DemonstrantInnen gefordert, ein „Nürnberger Tribunal” für „israelische Kriegsverbrecher“ einzurichten. Des Weiteren wird – so in Boston geschehen – die Situation im Gazastreifen mit der des Warschauer Ghettos gleichgesetzt und damit einer Relativierung des Nationalsozialismus das Wort geredet. Auch der österreichische Ableger von BDS organisierte während der letztjährigen „Israeli Apartheid Week“ einige Veranstaltungen, in deren Rahmen die systematische Diffamierung Israels betrieben wurde: Mittels der theatralischen Hinrichtung von Darstellern im frühen Kindesalter durch junge Männer mit Davidstern-Armbinden, wurde die antisemitische Parole „Kindermörder Israel” visualisiert – ein Schelm, wer bei den Armbinden an die Markierung von Juden in Konzentrationslagern denkt. „Das Opfer von früher ist zum Täter von heute  geworden“ – das ist es, was die Veranstalter insinuieren wollen.

Antisemitische  Atmosphäre

Auch die in Südafrika stattfindende „Israeli Apartheid Week“ hat eine antisemitische Atmosphäre befördert. Im Jahr 2013 organisierte BDS-Südafrika einen Protest gegen das Konzert mit dem israelischen Jazz-Musiker Zamir in der Great Hall in Johannesburg. Während der Proteste kam es zu eindeutig antisemitischen Vorfällen: Mehrere Protestierende sangen „Dubula I’Juda” („Tötet den Juden!“). Muhammed Desai, der nationale Koordinator von BDS Südafrika, rechtfertigte in einem Interview die Vorkommnisse und relativierte die antisemitische Hetze: „Das ganze Gerede von Antisemitismus ist völlig aus dem Ruder gelaufen“. Selbst ehemalige Bündnispartner von BDS-Südafrika, etwa pro-palästinensische Universitätsgruppen, sahen sich gezwungen, sich von Desai zu distanzieren. Zu offensichtlich war der antisemitische Tenor in Form der judenfeindlichen Gesänge hervorgetreten. So erklärte das „Rhodes University Palestinian Solidarity Forum“, dass Desai „verstörende Ansichen“ habe.

Ein Guru der Boykottbewegung zu Besuch in WienDer Aufruf zum Boykott israelischer Waren erinnert nicht von ungefähr an den alten Nazi-Slogan „Kauft nicht beim Juden“. So berichtet das „South African Jewish Board“ von einem vermehrten Aufkommen antisemitischer Stereotype an Universitäten: Mehrere religiöse, jüdische Seminare der Witwatesrand-Universität in Südafrika seien von BDS-Aktivisten gestürmt worden .

Während Esack den verstorbenen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon als „Terroristen“ bezeichnet, pflegt er selbst engen Kontakt zu dubiosen Persönlichkeiten. Im Januar 2015 lud BDS Südafrika die PFLP-Terroristin Laila Khaled ein. Zudem hofierten Vertreter von BDS-Südafrika im Oktober 2015 mehrere Vertreter der Hamas in Kapstadt. Auf Einladung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), welches laut dem Hamburger Verfassungsschutz seit 2004 in die Organisation rund um den antisemitischen Al-Quds-Tag involviert ist und „als verlängerter Arm der Teheraner Revolutionsführung konsequent das Ziel (verfolgt), islamistisches Gedankengut nach heimatlichem Vorbild in Deutschland zu verbreiten“, machte sich Esack zum Wortführer des iranischen Gottesstaates: „Die Idee eines Islamischen Staates in Deutschland muss vertreten werden dürfen.“

Im Rahmen dieser Veranstaltung erklärte er Israel nicht nur zum „Apartheidsregime“, sondern deklarierte die Unterstützung der antisemitischen Boykott-Bewegung gegenüber der taz zum gesunden Hausverstand: „Viele prominente Südafrikaner haben diesen Vergleich gezogen. Viele haben sogar gesagt, dass es schlimmer ist als das, was wir unter der Apartheid erleben mussten, und ich sehe das auch so.“

Wenngleich Farid Esack in der antiisraelischen Szene als Star gefeiert wird, wenden sich hochrangige südafrikanische Politiker gegen ihn. Dr. Kenneth Meshoe, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Partei Südafrikas, erklärte jüngst, dass der Apartheidvorwurf gegenüber Israel eine Bagatellisierung darstelle. Wer Israel als einen „Apartheidstaat“ bezeichne, habe vergessen, welche Formen die südafrikanische Apartheid tatsächlich angenommen hätte.

Wieviel Südafrika steckt in Israel?

Ein Guru der Boykottbewegung zu Besuch in WienAls am 31. Mai 2010 die MV Mavi Marmara über internationale Gewässer schipperte, um die israelische Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen, war auch Haneen Zoabi mit an Bord. Nur knapp zwei Monate davor hatte die türkische Nichtregierungsorganisation „IHH“ drei Passagierschiffe erworben – extra für die Fahrt nach Gaza. Die IHH ist Teil eines Dachverbands islamischer Organisationen, welcher, so das israelische Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center, aus der ganzen Welt Geld an die palästinensische Terrororganisation Hamas weiterleitet. Vermutlich hat auch Zoabi gewusst, dass die IHH als Teil der Muslimbruderschaft zugehörigen „Union of Good“ gilt und deshalb bereits zwei Jahre zuvor in Israel verboten worden war. Trotzdem nahm sie an der Aktion teil und nannte das Aufbringen des „Hilfskonvois“ einen „Akt der Piraterie“ und forderte eine internationale Untersuchung des Falles.

Seit Haneen Zoabi 2009 den dritten Platz auf der Liste der „Balad” errang, ist sie die erste weibliche Abgeordnete, die eine arabisch-dominierte Partei in der israelischen Knesset vertritt. Sie gehört einer Partei an, dessen Gründer Azmi Bishara die libanesische Terrororganisation Hisbollah glorifizierte und Terrorakte als „Widerstand“ verharmloste. Gleichzeitig lehnt sie es ab, die den Gaza-Streifen alleinbeherrschende Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen und fordert, mit ihr in den Dialog zu treten. Zoabi gilt in weiten Teilen Israels als persona non grata. Besonders aufgrund ihrer Teilnahme an der Mavi Marmara erhält sie immer wieder Morddrohungen. Seit sie im Juli 2016 israelische Soldaten als „Mörder“ bezeichnete, benötigt sie vermehrt Personenschutz – den sie auch erhält.

Nicht nur proklamiert die israelische Unabhängigkeitserklärung die Gleichheit vor dem Recht für „all seine BewohnerInnen unabhängig von deren Religion, Herkunft oder Geschlecht“. Auch der israelische Oberste Gerichtshof hat sich wiederholt unter Berufung auf den Schutz der Würde in die politische Praxis eingemischt. Für das Höchstgericht ist es demnach selbstverständlich, dass jüdische und nicht-jüdische Israelis dieselben Rechte haben und gegebenenfalls einklagen können. Die Tragweite der Grundgesetze geht jedoch noch weiter: Die Verteidigung der Würde, so der Oberste Gerichtshof, gelte auch für Nicht-StaatsbürgerInnen, und sogar bei „ungesetzliche Kombattanten“ wie Attentäter. Selbst jene, deren erklärtes Ziel die Abschaffung Israels ist, genießen prinzipiell den Schutz ihres Lebens und ihrer Würde durch das höchste Rechtsorgan des Staates. Als Reaktion auf ihre Teilnahme an der MV Mavi Marmara versuchte die israelische Wahlkommission Zoabi das passive Wahlrecht für die Parlamentswahl 2013 zu verwehren. Das Oberste Gericht Israels jedoch verwarf die Entscheidung der Wahlkommission.

Entgegen dieser simplen Faktenlage wird Israel häufig vorgeworfen, ein „Terrorstaat“ zu sein, der seine politischen Gegner ohne Rücksicht auf universelle Menschenrechte verfolge und schikaniere. Auch 70 Jahre nach der Gründung Israels ist das Mantra vom „Apartheidsstaat Israel“ in aller Munde.

Meinungsfreiheit auch für Staatsfeinde

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Haneen Zoabi

Haneen Zoabi und Farid Esack haben vieles gemeinsam. Beide sind erklärte Anhänger der BDS-Bewegung und denunzieren die Verfasstheit des israelischen Staates als jüdische Heimstätte als „rassistisch“. Als die Teilnahme Haneen Zoabis an der Mavi-Marmara-Flotille öffentlich wurde, kündigte Ofir Akunis, ein Abgeordneter der Likud-Partei, an, Zoabi und ihre „Balad“-Partei aus der Knesset verbannen zu wollen. Über viele Jahre hinweg hätte Zoabi den israelischen Staat unterminiert und seine Institutionen delegitimiert. Sie lehne den israelischen Staat als jüdisch-demokratischen ab und sei deshalb zu disqualifizieren. Zwei Mal versuchte das zentrale Wahlkomitee die Disqualifikation Zoabis durchzusetzen. Beide Male hob der Oberste Gerichtshof das Urteil kurz danach wieder auf und erklärte den Versuch, Zoabi zu disqualifizieren, für illegal.

Apartheid bezeichnet das Verhältnis eines Staates und seiner Institutionen zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Anders als die Rede von der Apartheid suggeriert, dürfen israelische Araber und Araberinnen – etwa 20% der israelischen Bevölkerung – in Israel ihren Wohnort wählen, bei regionalen und nationalen Wahlen teilnehmen und profitieren von Förderprogrammen auf dem Arbeitsmarkt. Interreligiöse Ehen werden anerkannt, wenn auch nicht von den religiösen Institutionen durchgeführt.

Der größte Widerspruch zum Vorwurf der Apartheid ist das israelische Insistieren auf dem Recht auf Meinungsfreiheit – unabhängig von ethnischen Kritierien oder politischen Ansichten: Als Haneen Zoabi nach der MV Mavi Marmara eine Rede in der Knesset hielt, setzte sich der Sprecher der Knesset unentwegt – und gegen den Widerstand vieler Abgeordneter – dafür ein, dass sie ihre Rede halten konnte. Dieser Sprecher, Reuven Rivlin, ist heute der zehnte Staatspräsident Israels. Und Haneen Zoabi wurde am 17. März 2015 in die Knesset wiedergewählt.

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