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Brief eines Arabers an einen Juden, der die antiisraelische Boykottbewegung unterstützt

Von Fred Maroun 

Ich muss Dir eine Frage stellen, aber zuerst will ich erklären, wie ich Dich sehe.

Du bist Jude, vermutlich jung und vermutlich stammst Du aus Amerika, vielleicht bist Du aber auch Europäer oder sogar Israeli – und vielleicht bist Du auch gar nicht mehr so ganz jung. Du identifizierst Dich mit dem arabischen Kampf gegen den Zionismus, und Du unterstützt die „Boycott, Divestment, Sanctions“-Bewegung (BDS), die, wie ich schon früher gezeigt habe, einen einzigen, binationalen Staat in Israel und den palästinensischen Gebieten anstrebt sowie die „Rückkehr“ von Millionen palästinensischen Flüchtlingen, die Israel über Nacht in einen arabischen Staat verwandeln würden.

 

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BDS-Aktivistinnen protestieren an der Westmauer in Jerusalem. Quelle: Breaking Israel News

 

Deine Einstellung interessiert mich, weil ich einerseits genauso bin wie Du und ich mich dennoch völlig von Dir unterscheide. Ich bin genau wie Du, weil ich in meiner eigenen Gemeinschaft gegen den Strom schwimme; aufgrund meiner ethnischen Zugehörigkeit und meiner Loyalität im israelisch-arabischen Konflikt bin ich jedoch gleichzeitig auch das völlige Gegenteil von Dir. Ich bin ein Araber, der den jüdischen Nationalismus unterstützt.

Ich muss zugeben, Deine Einstellung ist weit weniger egoistisch als meine. Während ich Israel unterstütze, weil ich große Vorteile für meine arabischen Landsleute sehe, wenn sie Israel nacheifern und dessen Menschenrechte, seine demokratische Werte und seinen Unternehmergeist übernehmen, unterstützt Du die Araber, obwohl Du weißt, dass Du und Deine Gemeinschaft im Gegenzug weniger als nichts erhalten werden.

Da Du gebildet bist (ich nehme an, dass Du das bist, da Du Dich mutig für etwas eingesetzt hast, das die meisten Menschen Deiner Glaubensgemeinschaft ablehnen), weißt Du, dass Juden wie Du in allen arabischen Ländern Opfer ethnischer Säuberungen wurden. Du weißt auch, dass selbst im Angesicht des Holocaust kein Land der Welt Juden wie Dir eine sichere Zuflucht bot.

Und obwohl Du all das weißt, willst Du selbstlos die jüdische Souveränität über den einzigen Teil des Nahen Ostens aufgeben, in dem es Juden noch gestattet ist zu leben, und wo es den einzigen sicheren Hafen für alle Juden gibt, die irgendwo auf der Welt Opfer von Diskriminierung und Gewalt werden. Ich muss zugeben, dass dieses Maß an Selbstlosigkeit weit über mein Vorstellungsvermögen hinausreicht.

Du hast Deinen Freunden versichert, dass Dein Standpunkt echt ist und nicht dazu gedacht, die Antisemiten zu beschwichtigen. Du hast darauf bestanden, dass Dein Widerstand gegen Israel keinen Konformismus gegenüber der antizionistischen Lehrmeinung der radikalen Linken darstellt.

Und doch fällt es mir schwer, mich zu freuen, denn auch wenn Du willens bist, Dein eigenes Volk zu opfern, so will ich dies meinem noch lange nicht antun. Der Untergang Israels als jüdischer Staat würde weitaus mehr beeinflussen als nur Dein Volk. Er würde auch die einzig verbliebene Hoffnung für progressive Araber wie mich zunichtemachen.

Wir Araber – gleich ob Palästinenser, Libanesen, Jordanier, Ägypter, Syrer, Iraker oder andere Araber – wissen, dass es im Nahen Osten nur einen einzigen Ort gibt, an dem unsere liberalen Werte respektiert werden: Und das ist der jüdische Staat Israel.  An dieser Hoffnung halten wir verzweifelt fest.

Ich muss zugeben, wenn er erfolgreich ist, würde Dein Widerstand gegen Israel einigen Arabern helfen. Er würde Terroristengruppen wie der Hamas und der Hisbollah helfen. Er würde arabischen Despoten helfen, die sich auf die antizionistische Rhetorik verlassen, um an der Macht zu bleiben. Er würde, und tut es tatsächlich bereits jetzt, der palästinensischen Führung helfen, den Friedensschluss mit Israel zu vermeiden, wodurch die Palästinenser weiterhin staatenlos und vollkommen abhängig von der Wohltätigkeit Israels und des Westens bleiben. Auch den ultrakonservativen und reaktionären arabischen Kräften hilft Dein Widerstand ohne Zweifel.

Du hast jede Menge Geschichten über den Missbrauch der palästinensischen Menschenrechte durch die Israelis gehört, und diese Berichte sind es auch, die Dich ermutigt haben, die Haltung einzunehmen, die Du jetzt vertrittst. Du glaubst auch, dass die Juden imperialistische Invasoren im Nahen Osten sind, und dass sie die jüdische Nation auf Kosten der arabischen Einwohner neu gegründet haben.

Wenn Du hörst, dass sich die große Mehrheit der gegen Israel erhobenen Anschuldigungen wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen durchweg als falsch erweist, gibst Du Dich mit dem Wissen zufrieden, dass einige davon dennoch wahr sind. Wenn Du daran erinnert wirst, dass Dein eigenes Volk, die Juden, seit mehr als 3.000 Jahren auf dem Grund und Boden Israels lebt und im Gebiet des gesamten Nahen Ostens auf eine lange Geschichte zurückschauen kann (bis zu seiner ethnischen Säuberung), dann übergehst Du das, weil es Deiner Sichtweise der Geschichte widerspricht.

Wenn Du gefragt wirst, warum Du die Juden Israels bestrafen willst, nicht aber die Araber, obwohl sie weitaus schlimmere Verbrechen an Juden und Arabern begehen, dann sagst Du, dass es Dir nur darum geht, das Verhalten Deiner eigenen Leute zu verbessern, und dass sich die Araber selbst darum kümmern sollen, das Verhalten der Araber zu verbessern. Deine Antwort bestätigt die Wichtigkeit meines Standpunkts, der darin besteht, zu versuchen, das Verhalten der Araber zu verbessern. Während Du das, was ich tue, scheinbar ergänzt, indem Du Israel dämonisierst – die einzige wahre Hoffnung für die arabische Welt – machst Du meinen Kampf aber leider nur noch schwieriger.

Das bist du also: Ein Jude, der auf einem unerreichbar hohen moralischen Maßstab für Israel besteht, selbst wenn dies das Ende für die Sicherheit oder gar die Existenz Deines eigenen Volkes bedeutet; und selbst wenn dies den arabischen Kampf für die einfachsten liberalen Werte, die die Juden schon lange erreicht haben, untergräbt. Du vertrittst einen linksgerichteten, progressiven, aktivistischen Standpunkt und dennoch hilft Deine Einstellung den Antisemiten und ultrarechten reaktionären Arabern.

Was mich schlussendlich zu meiner zentralen Frage bringt: Gibt es vielleicht irgendein anderes Anliegen, das Du anstelle der arabischen/palästinensischen Sache unterstützen könntest? Vorzugsweise eines, das keine Araber betrifft?

Auf Englisch zuerst erschienen bei The Times of Israel. Fred Maroun ist Kanadier arabischer Herkunft, der bis 1984 im Libanon lebte, darunter 10 Jahre während des Bürgerkriegs. Maroun unterstützt Israels Existenzrecht als jüdischer Staat, und er befürwortet einen liberalen und demokratischen Nahen Osten, in dem alle Religionen und Nationalitäten, einschließlich der Palästinenser, in Frieden miteinander und mit Israel leben können und in dem die Menschenrechte respektiert werden.

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