Sehr geehrter Herr Rafreider,
in der Anmoderation zum Bericht in der gestrigen ZIB 20 über den Beschluss der israelischen Regierung, über 1000 neue Wohnungen in Ostjerusalem und im Westjordanland zu bauen, führten Sie aus: „Und damit gleich zum nächsten Brennpunkt im Nahen Osten, wo Israel gerade international für Empörung sorgt, denn unmittelbar vor den neuen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern – und die Hoffnungen waren diesmal sehr groß, dass es nämlich was wird – genau jetzt verkündet Israel also den Bau von neuen Siedlungen im Westjordanland und in Jerusalem: mehr als eine Provokation.”
Die von Ihnen verbreitete Meldung ist falsch: Es handelt sich nicht um „neue Siedlungen”, die da gebaut werden sollen, sondern um den Bau neuer Wohnungen innerhalb bereits bestehender Gemeinden, die, davon ist auszugehen, nach einem etwaigen Friedenschluss im Rahmen von Gebietsabtauschen zu Israel gehören würden. Darüber hinaus: Die aktuellen Verhandlungen wurden begonnen, nachdem die palästinensische Seite Abstand davon genommen hat, weiter an einem völligen israelischen Baustopp in den umstrittenen Gebieten als Vorbedingung von Gesprächen festzuhalten. Was mit den israelischen Gemeinden jenseits der „Grünen Linie” geschehen soll, ist eine der Fragen, über die zwischen den Konfliktparteien verhandelt werden muss, und die nicht bereits im Vorhinein im Sinne einseitiger palästinensischer Forderungen entschieden werden.
Um den Palästinensern entgegenzukommen, hat die israelische Regierung den innenpolitisch äußerst umstrittenen Beschluss gefasst, dutzende inhaftierte palästinensische Mörder und Terroristen aus der Haft zu entlassen. Wie leider üblich, gab es auf der palästinensischen Seite bislang keine jener Schritte, die man allgemein als vertrauensbildende Maßnahmen bezeichnet. Ganz im Gegenteil verkündete PLO-Chef Mahmud Abbas, dass in einem zukünftigen Staat Palästina kein einziger Israeli leben werde können und gab damit zu verstehen, dass die angeblich „moderate” Führung der Palästinenser im Westjordanland nach wie vor Maximalforderungen den Vorzug vor Kompromissen gibt, ohne die eine Friedenslösung nicht erreichbar sein wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Alexander Gruber
Medienbeobachtungsstelle Naher Osten (MENA)