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Letztklassige Karikatur

Sehr geehrte Redaktion der Kleinen Zeitung,

betrachtet man die Zeichnungen Ihres Karikaturisten Petar Pismestrovic über das iranische Atomwaffenprogramm, kommt man aus dem Staunen kaum mehr heraus. Am 4. Dezember 2011 zeigte sein Cartoon den iranischen Präsidenten Ahmadinejad als Krampus, der mit seiner Rute zwei Figuren vor sich her treibt. Die eine sollte offenbar einen Amerikaner darstellen und sah nach der typischen Uncle-Sam-Figur aus, die das Herz des Anti-Amerikaners höher schlagen lässt; die andere sollte wohl einen Israeli darstellen und hätte jeden „Stürmer“-Leser erfreut: schwarzer Hut, schwarzer Kaftan, Schläfenlocken, Hakennase – wie sollte man einen Israeli auch anders zeichnen, denn als antisemitische Juden-Karikatur?

Heute widmete sich Pismestrovic wieder dem Konflikt zwischen dem Westen und dem Iran. Dieses Mal zeichnete er unter dem Titel „Der Kampf um das Weiße Haus“ US-Präsident Obama im klassischen Cowboy-Outfit inklusive umgeschnalltem Pistolengurt (das hat man ja noch nie gesehen, wie ist Pismestrovic nur auf den „originellen“ Gedanken gekommen, einen amerikanischen Präsidenten so zu zeichnen?), der eine kleine Khamenei-Figur anschreit: „Ich brauche unbedingt einen Krieg. Es ist Wahljahr verdammt!“

Eine gute Karikatur zeichnet aus, bestimmte charakteristische Merkmale durch ihre Überzeichnung deutlich hervorzuheben. Davon kann hier aus mehreren Gründen keine Rede sein:

1. Wenn es etwas gibt, das man US-Präsident Obama wirklich nicht vorwerfen kann, so ist es, gegenüber dem Iran eine besonders konfrontative Politik verfolgt zu haben. Ganz im Gegenteil versuchte er, sich von der Politik seines Amtsvorgängers nicht zuletzt durch eine betonte Zurückhaltung abzuheben, an der er selbst dann noch festhielt, als das islamistische Regimes im Sommer 2009 brutal gegen die Opposition vorging.

2. Die Darstellung des amerikanischen Präsidenten als schießwütigem Cowboy und des „geistlichen Führers“ des islamistischen Regimes in Teheran als kleines, verschüchtert dreinschauendes Männlein mit weißem Rauschebart ist eine groteske Verzerrung der Realität und eine grobe Verniedlichung der blutigen Mullah-Diktatur.

3. Zu suggerieren, die Eskalation der Auseinandersetzung in den letzten Wochen habe mit den Ende des Jahres bevorstehenden amerikanischen Präsidentschaftswahlen zu tun, entbehrt jeder Grundlage und spricht das iranische Regime von jeglicher Verantwortung für die Zuspitzung des Konflikts frei. (Wenn schon Wahlen einen Einfluss auf den Konflikt haben sollten, warum kommt Pismestrovic dann eigentlich nicht auf die Idee, die unmittelbar bevorstehenden Parlamentswahlen im Iran könnten etwas mit der Verschärfung von dessen Kurs zu tun haben?)

4. Pismestrovic‘ Karikatur erweckt den Eindruck, die USA würden aus willkürlichen, innenpolitischen Gründen eine Konfrontation anheizen. Damit übergeht er die wahre Ursache des Konflikts: das Streben eines islamistisch-totalitären Regimes, in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen. Hier geht es nicht um an den Haaren herbeigezogene Vorwände, sondern um eine leider sehr  reale Gefahr.

5. Pismestrovic tut so, als sei die Konfrontation mit dem Iran ausschließlich eine Angelegenheit der USA und ginge uns Europäer überhaupt nichts an. So beliebt diese Haltung auch sein mag, so falsch ist sie. Es sei daran erinnert, dass es die Europäer waren, die über Jahre hinweg versucht haben, den Iran auf dem Verhandlungsweg von seinem Atomwaffenprogramm abzubringen, und damit kläglich gescheitert sind. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass es die Perspektive verschärfter wirtschaftlicher Sanktionen durch die Europäische Union war, die in den letzten Wochen eine Reihe aggressiver Schritte des Iran zur Folge hatte, vom Sturm auf britische diplomatische Einrichtungen in Teheran Ende des letzten Jahres bis zur Ankündigung, die Straße von Hormus für die Schifffahrt zu blockieren. Die USA dafür zu denunzieren, dass sie mit ihrer Militärmacht die Freiheit der Schifffahrt auf einem der ökonomisch wichtigsten Seewege der Erde garantieren, ist einfach letztklassig.

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Medienbeobachtungsstelle Naher Osten (MENA)

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