Sehr geehrte profil-Redaktion,
in ihrem Artikel „Wo die Götter wohnen“ im aktuellen profil (11/2015) meint Tessa Szyszkowitz, Jerusalem sei „heute geteilter denn je“. Um diese Behauptung einordnen zu können, sei ein kurzer Blick in die Vergangenheit gestattet: Zwischen dem israelischen Unabhängigkeitskrieg und dem Sechstagekrieg 1967 verlief die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien mitten durch Jerusalem. Das verminte Niemandsland zwischen den beiden Seiten war von Betonmauern, Bunkern und Stacheldraht umgeben. Immer wieder wurde der israelische Westteil der Stadt von jordanischen Stellungen aus mit Artillerie beschossen und wurden Israelis von Scharfschützen aufs Korn genommen. Am Ölberg wurde der jüdische Friedhof geschändet, das jüdische Viertel der Altstadt wurde verwüstet und Dutzende Synagogen wurden zerstört. Im jordanisch kontrollierten Ostteil der Stadt wurden die Juden interniert, vertrieben oder ermordet. Voller Stolz verkündete Abdullah el-Tell, der spätere jordanische Militärgouverneur der Altstadt, dass zum ersten Mal seit 1000 Jahren kein Jude mehr im historischen Zentrum Jerusalems verblieben und alle jüdischen Gebäude zerstört seien. Unter jordanischer Kontrolle war der Zugang zu den heiligen Stätten der Stadt für Juden un-, für Christen nur erschwert möglich. Vor diesem Hintergrund muss Szyszkowitz entschieden widersprochen werden: Trotz aller Probleme, die es in Israels Hauptstadt gibt, ist die Behauptung, Jerusalem sei „heute geteilter denn je“, einfach absurd.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Medienbeobachtungsstelle Naher Osten (MENA)