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Hisbollah größere strategische Bedrohung als IS

Hisbollah größere strategische Bedrohung als IS„Die Hisbollah rächt sich offenbar gerne mit einigem Abstand. Als der Anführer der libanesischen Terrorgruppe Imad Mugniyah am 12. Februar 2008 durch eine Autobombe umkam, schienen Vergeltungsmaßnahmen unvermeidbar. Schließlich konnte die Hisbollah ein derartig spektakuläres Attentat schwerlich auf sich sitzen lassen. Nun hat das US-amerikanische Justizministerium am 8. Juni, fast ein Jahrzehnt nach Mugniyahs Tod, die Verhaftung zweier Hisbollah-Agenten in New York und Michigan bekannt gegeben. Einer der Beschuldigten, Ali Kourani, scheint an der Planung des seit langem erwarteten Vergeltungsschlags beteiligt gewesen zu sein. Kourani wird die Ausspähung verschiedener Ziele – darunter Einzelpersonen mit Verbindungen zu den Israelischen Verteidigungskräften (IDF) – zur Vorbereitung eines Angriffs vorgeworfen, mit dem das Attentat auf Mugniyah gerächt werden sollte. Obwohl es nicht zu dem Anschlag gekommen ist, könnten die Informationen, die Kourani im Rahmen seiner Tätigkeit in den Libanon sandte, bei der Planung künftiger Terrorakte nützen. Der Fall wirft im übrigen ein interessantes Licht auf die Arbeitsweise der Hisbollah und beleuchtet, wie ihre Taktik sich von der anderer islamistischer Terrorgruppen unterscheidet.

Die in den beiden Anklageschriften des Justizministeriums angegebenen Einzelheiten bestätigen vieles von dem, was über die Hisbollah bereits bekannt ist. Zum einen spiegeln die Ziele, die Kourani ausspähte, die Besessenheit der Hisbollah mit israelischen Zielen wider. Von 2009 bis 2015 soll Kourani seine Kontaktpersonen im Libanon mit Dokumenten und Speicherkarten voller Informationen über Angehörige der IDF in New York versorgt haben. Zudem hat er offenbar wegen des in ihnen enthaltenen Ammoniumnitrats bei einer chinesischen Firma eine erhebliche Anzahl Erste-Hilfe-Kühlakkus erworben. Die Chemikalie sollte 2012 bei einem vereitelten Anschlag auf israelische Touristen auf Zypern eingesetzt werden. Der andere Beschuldigte, den das Justizministerium als Samer el Debek identifiziert hat, reiste mehrmals nach Panama, um die dortige israelische Botschaft auszuspähen. Er beobachtete dort auch die US-amerikanische Botschaft und erkundete die Sicherheitsvorrichtungen am Panamakanal. Kourani sammelte zudem Informationen über eine US-amerikanisches Regierungsdienststelle in Manhattan, eine Einrichtung der New Yorker Nationalgarde und die Sicherheitsvorkehrungen am John F. Kennedy-Flughafen und sandte diese in den Libanon.

Hisbollah größere strategische Bedrohung als ISZum anderen zeigt die Tatsache, dass Kourani und el Debek an einem Dutzend geplanter Anschläge in mindestens fünf verschiedenen Ländern beteiligt waren, wie weitläufig und vielfältig die Angriffsziele der Hisbollah sind. Geht man von den beiden in den Vereinigten Staaten verhafteten Agenten aus, verfügt die Gruppe mit ihrem enormen Agentennetzwerk vermutlich über die notwendigen Informationen, um erforderlichenfalls ein ganzes Spektrum an bedeutsamen internationalen Zielen angreifen zu können. Selbst wenn die von Kourani und el Debek gesammelten Informationen nicht zur Durchführung eines Anschlags genutzt werden, könnte ihre Tätigkeit der Gruppe nutzen. El Debek erklärte dem FBI gegenüber, dass das ‚Vorgehen der Hisbollah mitunter ein politisches Signal senden soll’. In dieser Hinsicht können Drohungen genauso wirksam sein wie Anschläge. In diesem Fall erinnert schon der Tatbestand der feindlichen Ausspähung, nachdem er bekannt geworden ist, nachhaltig daran, dass die Hisbollah nach wie vor auf der Suche nach Zielen ist, an denen die Öffentlichkeit Anschläge womöglich am wenigsten erwartet. In der Vergangenheit hat sie viele ihrer Anschläge in Ländern ausgeführt, die an islamistische Gewalt nicht gewohnt sind, so beispielsweise in Argentinien und Bulgarien. Auch Panama ist schwerlich ein Ort, den man so ohne weiteres mit einem Angriff der Hisbollah auf Israelis in Verbindung bringen würde.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Taktik der Hisbollah von der anderer Terrororganisationen wie beispielsweise dem Islamischen Staat. (…) Angesichts der Tatsache, dass der Islamische Staat weiterhin die Nachrichten dominiert, sollte man diese Unterschiede nicht vergessen. Obwohl die Gruppe größere Aufmerksamkeit auf sich lenkt als die Hisbollah, stellt sie insgesamt eine geringere strategische Bedrohung dar. Der Islamische Staat scheint nicht über engagierte Agenten zu verfügen, die Informationen über Angriffsziele jenseits seines Gebiets im Irak und in Syrien sammeln, geschweige denn über eigenständige Strukturen wie die der Hisbollah. In den Anklageschriften gegen Hourani und el Debek ähnelt die Hisbollah eher einem staatlichen Sicherheitsapparat als einer Terrorgruppe. Durch ihr diskretes Vorgehen verfügt die Organisation über einen größeren Spielraum, um ihre militärischen Fähigkeiten politisch zu nutzen. Dazu gehört manchmal ein sorgfältig geplanter, überraschender Anschlag. Meist jedoch erreicht die Hisbollah ihre Ziele schon dadurch, dass sie ihren Feinden in Erinnerung ruft, dass die Organisation sie weiterhin im Blick hat.“ (Ben West: „Hezbollah Watches and Waits“)

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