Erdogan etabliert den Jargon der Gosse in der Türkei

„Es geht um die Errichtung der Herrschaft eines Führers, ohne Gewaltenteilung und mit einer fast völligen Unterwerfung der Medien, und alle staatlichen Ressourcen werden mobilisiert, um bei Volksabstimmungen die erforderlichen Ergebnisse zu erzielen. Denn ‚Demokratie‘ ist für Erdogan einzig das: die Mehrheit, um nach Belieben zu schalten und zu walten. Um diesen De-facto-Zustand rechtlich zu verankern, muss das Parlament noch eine Aufgabe erfüllen: eine Verfassungsabstimmung in die Wege leiten, mit der es sich selber quasi abschafft. Die Stimmen der AKP würden allein nicht reichen, mit der MHP-Fraktion wäre das Quorum erfüllt. Jüngst erklärte MHP-Chef Devlet Bahceli, seine Partei werde sich einem solchen Referendum nicht entziehen. Dass unter diesen Bedingungen eine freie öffentliche Diskussion unvorstellbar ist, ficht ihn nicht an.

Bahceli weiß, dass Erdogan sich in seiner Anhängerschaft einer wachsenden Beliebtheit erfreut; mehr noch: dass die ‚türkisch-islamische Synthese‘, die sich die türkischen Rechtsradikalen auf ihre Fahne geschrieben haben, in Erdogan ihren neuen Führer gefunden hat. Neben diesen Tendenzen zur Faschisierung und Islamisierung zeichnet sich noch etwas ab: die Lumpenproletarisierung. Erdogan hat den machohaften Umgangston des Werftenviertels Kasimpasa, in dem er aufgewachsen ist, zum Regierungston geadelt. Ob er meint, man könne ‚wie ein Mann sterben oder wie eine Madam‘ – und damit Frauen und Christen gleichermaßen verächtlich macht –, ob er mal eben Gebietsansprüche auf das irakische Mossul erhebt oder ausländische Politiker anblafft (‚Ey, Amerika!‘, ‚Ey, Merkel!‘) – es herrscht der Jargon der Gosse. (Deniz Yücel: „Lumpenproletarisierung In der Türkei herrscht jetzt der Jargon der Gosse“)

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