„[E]iner weiteren aktuellen Entwicklung sollte man größte Aufmerksamkeit schenken: der Ankündigung der massenhaften Aufrüstung der Regierungspartei AKP. Schon einige Tage nach dem vereitelten Putsch am 15. Juli war der Plan geboren, die Partei in bewaffnete Streitkräfte zu verwandeln. Mit dem Slogan ‚Nie wieder!‘ erklärten einige Funktionäre, dass die Ausrüstung der Bürger notwendig sei, um weitere Putschversuche abzuwehren. Unter ihnen war Şeref Malkoç, ein wichtiger Berater Präsident Erdoğans. Er kündigte an, dass ‚registrierte Schusswaffen an die Bürger verteilt‘ würden. (…) Die Tageszeitung Cumhuriyet berichtete kürzlich, die Regierung plane ein neues Notstandsgesetz, das auch die Registrierung von Waffen auf lokaler Ebene ermöglicht. Aber es geht noch weiter.
Noch aufsehenerregender ist die Nachricht, dass das Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet), die höchste islamische Autorität des Landes, die offenbar die Schutzfunktion des Militärs übernommen hat, nun erklärte, sie habe neue ‚Jugendeinheiten‘ in den Moscheen des Landes eingerichtet. Yaşar Yiğit, einer der höchsten Vertreter von Diyanet verkündete dies. ‚Wir wollen in 45.000 von 85.000 Moscheen Jugendeinheiten einrichten. Wenn Gott will, haben wir im Jahr 2021 20.000 davon geschafft. ‚Egal wie man es wendet, das Muster ist klar. Unabhängige Zeitungen wie Cumhuriyet berichten, dass große Teile des privaten Sicherheitsmarktes mit der AKP verbandelt sind. Die Vorbereitungen zur Aufrüstung von AKP-treuen Bürgern und die Politisierung des Moscheen-Netzwerks bis in die Mikroebene hinein sind besorgniserregend. Obendrein kontaktiert Präsident Erdoğan die Dorfvorsteher und hält sie dazu an, jegliche ‚subversiven‘ Aktivitäten zu melden. Vor zwei Tagen sprach er zu einer Hundertschaft: ‚Ich bin jetzt der erste Dorfvorsteher und kontrolliere alles.‘“ (Yavuz Baydar: „Die Türkei steht kurz vor einem Bürgerkrieg“)