EIN VÖLLIG ANDERES BILD

Georg Hoffmann-Ostenhof vom profil und das Regime in Teheran sind sich einig: Bei „Argo“, der bei den Oscar-Verleihungen als bester Film des Jahres ausgezeichnet wurde, handelt es sich um „Geschichtsklitterung“ und „Propaganda“, weil er „den Iran des Jahres 1980 als düsteren, totalitären Staat (schildert), in dem an Straßenlaternen Gehenkte baumeln, in dem man fanatische Massen und bösartige Regime­vertreter in Aktion sieht und sich Ausländer nur unter Lebensgefahr bewegen können.“ Gegen diese Darstellung erhebt Ostenhof Einspruch, denn er war „im Februar 1981, wenige Wochen nachdem das Geiseldrama ein unblutiges Ende gefunden hat, in Teheran. Mir bot sich ein völlig anderes Bild.“

Blickt man allerdings in die Zeitung, für die Hoffmann-Ostenhof damals gearbeitet hat, beginnt man unweigerlich, sich über die Behauptung zu wundern, es sei alles ganz anders gewesen, als in „Argo“ dargestellt. So war in der Arbeiterzeitung just in dem von Ostenhof angesprochenen Februar 1981 zu lesen: „Zwei homosexuelle Männer im Alter von 24 und 30 Jahren sind nach einem Bericht der Tageszeitung ‚Teheran Times‘ … in der Stadt Schiras von einem Erschießungskommando hingerichtet worden. Die Zeitung zitierte das örtliche islamische Revolutionsgericht, das auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, die Wurzeln der Homosexualität und anderer ‚korrupter Handlungen‘ auszurotten.“ (Arbeiterzeitung, 26. Feb. 1981) Die Henker des islamistischen Regimes haben in diesem Fall ihre Opfer nicht an Straßenlaternen aufgehängt, sondern erschossen, aber dass sie Homosexuelle ermordeten, ist weder anti-iranische „Propaganda“ noch „Geschichtsklitterung“, sondern eine grauenvolle Tatsache.

Aber wenn der Umgang mit Homosexualität offenbar kein geeignetes Beispiel ist, woran denkt Hoffmann-Ostenhof, wenn er schreibt, im Februar 1981 habe sich ihm ein „völlig anderes Bild“ des Iran geboten? Es stimme schon, ist im profil zu lesen, dass Khomeini und die Mullahs dabei gewesen seien, „die Revolution von 1979 endgültig zu usurpieren, die so genannten Revolutionsgarden trieben ihr Unwesen, und man begann, die Medienfreiheit einzuschränken.“ Aber noch sei mit Banisadr ein „eher liberal-islamischer Politiker“ Präsident gewesen. „Säkulare Parteien agierten noch relativ frei, und ich konnte ganz offen mit oppositionellen Intellektuellen Gespräche führen, ohne mich je bedroht zu fühlen.“

Blicken wir wiederrum in die AZ vom Februar 1981. Nur einen Tag nach der zitierten Meldung über die Hinrichtung der beiden Männer fand sich bereits auf der Titelseite ein Artikel mit der Überschrift: „Iran: Kritik an der Folter“. Darin war zu lesen: „In einem von 133 Intellektuellen unterzeichneten Brief ist gegen islamische Führer in Iran neuerlich der Vorwurf von Folter und Unterdrückung erhoben worden. Sie träten die Menschenrechte mit Füßen, hieß es in dem Donnerstag in Teheran ausländischen Korrespondenten zugänglich gemachten Schreiben.“ Die Unterzeichner, von denen viele unter dem Schah-Regime im Gefängnis gesessen hatten, klagten an: „(D)er Alptraum der Folter hat unsere Gesellschaft bereits wieder heimgesucht. Die Marterwerkzeuge sind von neuem aufgestellt worden.“ (Arbeiterzeitung, 27. Feb. 1981) Mag sein, dass Hoffmann-Ostenhof sich zu genau dieser Zeit im Iran nicht bedroht fühlte, viele der von ihm erwähnten Oppositionellen sahen das offenbar schon damals deutlich anders.

„Warum also diese Verzerrung?“, fragt Hoffmann-Ostenhof und meint damit nicht sein offenbar leicht mangelhaftes Erinnerungsvermögen, sondern die Darstellung des Iran in „Argo“. Eine „realistische Darstellung“ hätte „dem Bild widersprochen, das die westliche Propaganda seit Jahren vom heutigen Iran und seiner Entstehungsgeschichte zeichnet.” Weil in einer realistischen Darstellung der Realität im heutigen Iran erst wieder von ermordeten Homosexuellen, verschleppten und gefolterten Oppositionellen und einem nach Atomwaffen strebenden islamistischen Regime die Rede sein müsste, macht Ostenhof darum lieber einen großen Bogen und konzentriert sich stattdessen darauf, gegen „westliche Propaganda“ anzuschreiben. Das Regime in Teheran hat unterdessen angekündigt, die Macher von „Argo“ wegen der Iran-Feindlichkeit des Films verklagen zu wollen. Sollte es je zu einem Prozess kommen, kann es ja Ostenhof als Zeugen vorladen.

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