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Ein neuer Hoffnungsträger

Der Islam werde siegreich sein und die Führerschaft über die Welt wiedergewinnen. Bald werde der Tag kommen, an dem der prophezeite Sieg über die Juden wahr werde. Israel müsse vor dem sicheren Tod erniedrigt und gedemütigt werden. Schon morgen werde die islamische Nation auf dem Thron der Welt sitzen. Die Feinde müssten wissen, dass sie gegen die Armee Allahs kämpften, gegen Menschen, denen der Tod für die Ehre Allahs wichtiger sei als das Leben – so hört sich das an, wenn Khaled Meshaal, Chef des Politbüros der palästinensischen Hamas, beim Predigen so richtig in Fahrt kommt. Genau derselbe Meshaal wird im Standard (31. März 2012) nun als möglicher „Hoffnungsträger für eine Wende im israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt“ präsentiert, „die die endlose Abfolge von Gewalt und Gegengewalt endlich durchbricht“.

Als solchen sieht ihn zumindest Michael Bröning, Leiter des Jerusalem-Büros der sozialdemokratischen Friedrich Ebert Stiftung. In seinem Gastkommentar widmet sich Bröning dem Richtungsstreit, der seit einigen Monaten in der Hamas ausgefochten wird. Auf der einen Seite gäbe es einen „konservativen Flügel der Hamas-Führung“, der durch Gaza-„Premier“ Ismail Haniyeh repräsentiert werde. Er stehe für eine „kompromisslose Haltung gegenüber Israel“, lehne Friedensverhandlungen mit dem jüdischen Staat ab, und wolle, wie unlängst in Teheran verkündet, seinen Kampf bis zur „vollständigen Befreiung Palästinas“ fortsetzen. „Was das bedeutet, bedarf kaum einer Erklärung“, stellt Bröning fest.

Meshaal repräsentiere im Gegensatz dazu „eine Kraft der Veränderung“. Er setze sich für eine Versöhnung mit der Fatah ein, habe zur Beendigung der Gewalt aufgerufen und die Schaffung eines Palästinenserstaates „in den Grenzen von 1967“ akzeptiert. Kurz: Meshaal zeige „seine Bereitschaft zur politischen Mäßigung“. Der Westen müsse jetzt „die Chance nutzen“, um „den zukünftigen Kurs der Hamas zu beeinflussen“, und „gemäßigte Islamisten in den palästinensischen Autonomiegebieten als legitime politische Kraft“ in den politischen Prozess einbinden.

Um zu solchen Ergebnissen zu kommen, muss Bröning gelegentlich die Regeln logischen Argumentierens ignorieren. So schreibt er über die politischen Optionen seines „Hoffnungsträgers“: „Er könnte als Anführer eines neu gegründeten palästinensischen Ablegers der Muslimbruderschaft wieder auftauchen oder als Chef einer neuen islamistischen Partei unter dem Dach der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Eine solche Fusion der Hamas mit etablierten palästinensischen Organisationen würde die formelle Akzeptanz der Hamas für eine Zweistaatenlösung bedeuten“. Weshalb eine Partei unter Meshaals Führung, die eben nur als Neugründung oder Abspaltung von der Hamas geschaffen werden könnte, eine „Fusion“ der Hamas mit anderen Kräften sein sollte, ist rational ebenso wenig nachvollziehbar wie Brönings Behauptung, dass eine solche neue Partei die Akzeptanz der Hamas für eine Zweistaatenlösung bedeuten würde.

Das wirkliche Problem ist aber, dass Bröning der erstaunten Öffentlichkeit nicht zum ersten Mal die Nachricht überbringt, dass die Hamas sich „gemäßigt“ habe. Bereits 2009 veröffentlichte er in der Zeitschrift Internationale Politik einen Artikel, in dem er darzustellen versuchte, wie die „Hamas sich zur staatstragenden Organisation entwickelt.“ Demnach habe mit „der Übernahme politischer Verantwortung“ ein „Transformationsprozess der Organisation von einer terroristisch agierenden politisch-sozialen Bewegung hin zu einem pragmatischen Akteur von Staatlichkeit“ begonnen. Deshalb sei, wer hätte es gedacht, ein Wechsel der Haltung des Westens zur Hamas erforderlich.

Dummerweise bezog sich Bröning damals aber als Beleg seiner Argumentation auf genau den Ismail Haniyeh, der ihm heute als Verkörperung des „konservativen“, unversöhnlichen, radikal-islamistischen Flügels der Hamas gilt. Genau den Hardliner, dessen Haltung zu Israel im Jahre 2012 „kaum einer Erläuterung (bedarf)“, verkaufte Bröning im Jahre 2009 noch als Repräsentanten einer zunehmend „pragmatischen“ Organisation, mit der Israel in einen Verhandlungsprozess eintreten könnte.

Das lässt aber nur zwei Möglichkeiten offen: Entweder wir haben es mit dem Phänomen zu tun, dass sich Haniyeh seit seinem Machtantritt im Gazastreifen nicht „gemäßigt“, sondern radikalisiert hat – damit wäre freilich schlicht das Gegenteil von Brönings Analyse von 2009 eingetreten. Oder seine damalige Einschätzung Haniyehs war einfach falsch und er hat sich durch den sanfteren Tonfall, den die Hamas vor den palästinensischen Wahlen 2006 angeschlagen hat, hinters Licht führen lassen. Aber warum sollte man ihm dann heute Glauben schenken, wenn er dieses Mal einen radikalen Antisemiten wie Meshaal als „Hoffnungsträger“ preist?

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