Unterdrückung von Palästinensern, die Palästinafreunde nicht interessiert

Von Khaled Abu Toameh

Unter den Regimes der PA und der Hamas steht es den Palästinensern frei, Israel nach Lust und Laune zu kritisieren und Hass zu schüren. Wenn es jedoch darum geht, Kritik an den Führern von PA und Hamas zu üben, herrschen andere Spielregeln. Eine solche Kritik wird als „Straftat“ betrachtet und die Verantwortlichen landen hinter Gittern oder bekommen andere Formen der Bestrafung zu spüren. Dies hatte der Großteil der Palästinenser natürlich nicht von seinen Anführern erwartet. Nach der Unterzeichnung des Osloer Abkommens und der Gründung der PA vor mehr als 20 Jahren hofften die Palästinenser auf Demokratie und Meinungsfreiheit. Die PA bewies jedoch zuerst unter Yasser Arafat und später unter Mahmoud Abbas, dass sie nicht viel anders war als die meisten anderen arabischen Diktaturen, in denen Demokratie, freie Meinungsäußerung und unabhängige Medien schlichtweg nicht existieren.

Hatten es die Palästinenser in der Vergangenheit mit nur einem Regime (der PA) zu tun, das die freie Meinungsäußerung nicht respektiert, so wurden sie im vergangenen Jahrzehnt Opfer einer weiteren repressiven Führung (der Hamas), die den Gazastreifen mit eiserner Faust regiert, Meinungsfreiheit in jeder Form unterdrückt und alle verfolgt, die es wagen, ihre Meinung frei heraus zu sagen. Die Palästinenser in den von der PA kontrollierten Gebieten im Westjordanland und dem unter der Kontrolle der Hamas stehenden Gazastreifen können nur neidvoll auf ihre Nachbarn in Israel und deren Demokratie, freie Medien und Rechtsstaatlichkeit schauen. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass die Palästinenser sowohl von der PA als auch von der Hamas daran erinnert werden, dass sie nach wie vor weit davon entfernt sind, ihren Traum von Demokratie und Meinungsfreiheit zu erreichen. Freie Medien sind etwas, von dem Palästinenser auch weiterhin nur träumen können.

Die palästinensischen Medien im Westjordanland sind ein Sprachrohr für die PA und deren führende Vertreter. Selbst private Fernseh- und Radiosender im Westjordanland haben schon lange begriffen, dass sie sich fügen müssen oder Strafmaßnahmen zu spüren bekommen, wenn die harte Hand der PA-Sicherheitskräfte gegen sie durchgreift. Aus diesem Grund sehen palästinensische Medienkanäle und Journalisten im Westjordanland davon ab, über Geschehnisse zu berichten, die Abbas oder dessen Parteikollegen in einem schlechten Licht erscheinen lassen könnten. In der Welt der Medien nennt man das Selbstzensur.

Im Gazastreifen sieht die Lage kaum besser aus. Tatsächlich ist es unter der Hamas schwierig, überhaupt von der Existenz von Medien zu reden. Die lokalen Medienkanäle und Journalisten unterliegen gravierenden Einschränkungen und befinden sich im festen Griff der Hamas und ihrer Sicherheitskräfte. Kritik an der Hamas gibt es nahezu überhaupt nicht, denn sie könnte die dafür Verantwortlichen umgehend ins Gefängnis bringen.

Aufgrund nicht vorhandener freier und unabhängiger Medien im Westjordanland und im Gazastreifen haben sich einige Autoren, Journalisten und politische Aktivisten auf die sozialen Medien verlegt, um ihre Ansichten kundzutun und ihre Sorgen mit ihren palästinensischen Mitbürgern und der Außenwelt zu teilen. Aber auch die PA und die Hamas haben die Macht von Facebook und Twitter entdeckt und den Kampf gegen ihre Kritiker auf diesen Plattformen aufgenommen. Das Posten kritischer oder kontroverser Beiträge in den sozialen Medien wird unter der PA und der Hamas als schwerwiegendes Vergehen betrachtet. Die führenden Vertreter von PA und Hamas beschuldigen die, die es wagen, sie auf Facebook zu kritisieren, sie würden ihnen „die Zunge herausstrecken“ und die Vertreter des palästinensischen Volks „beleidigen“.

In den vergangenen Jahren wurden Dutzende palästinensischer Journalisten, Blogger, Akademiker und politischer Aktivisten wegen ihrer Facebook-Beiträge von PA und Hamas verhaftet oder zum Verhör vorgeladen. Internationale Menschenrechtsorganisationen und weltweite Verfechter freier Meinungsäußerung und freier Medien ziehen es angesichts dieser Menschenrechtsverletzungen durch die PA und die Hamas jedoch vor, wegzusehen. Darüber hinaus scheint die traurige Lage der Palästinenser unter der PA und der Hamas „pro-palästinensische“ Gruppen und Einzelpersonen im Westen nicht weiter zu interessieren. Das einzige „Fehlverhalten“ und „Böse“, das sie erkennen können, befindet sich auf der Seite Israels. Indem sie die Not der unterdrückten Palästinenser ignorieren, unterstützen diese „pro-palästinensischen“ Aktivisten und Gruppen in Wirklichkeit die PA und die Hamas in ihren Bemühungen, oppositionelle und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Der Mangel an internationaler Kritik ermöglicht der PA und der Hamas, ihre Politik des Mundtodmachens und der Einschüchterung von Palästinensern, die es wagen, offen gegen die fehlende Meinungsfreiheit und Demokratie im Westjordanland und Gaza zu protestieren, weiter zu verfolgen.

Vor Kurzem verhaftete beispielsweise die Hamas zwei Palästinenser im Gazastreifen, die kritische Bemerkungen auf Facebook gepostet hatten: Abdallah Abu Sharkh und Shukri Abu Oun. Der bekannte Schriftsteller Abu Sharekh wurde verhaftet, kurz nachdem er auf Facebook einen Kommentar gepostet hatte, in dem er den führenden Hamas-Vertreter Salah Bardaweel kritisiert hatte. „Ihr regiert den Gazastreifen mit eiserner Faust und Waffengewalt“, hatte Abu Scharekh geschrieben. „Der Zustand der Unterdrückung (im Gazastreifen) ist unzumutbar. Ihr (die Hamas) habt den Gazastreifen wieder zurück ins Mittelalter versetzt.“

Abu Sharekhs Kritik war eine Reaktion auf die Stromversorgungskrise im Gazastreifen. Als Folge des Machtkampfs zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde müssen Tausende von Familien im Gazastreifen den Großteil des Tages ohne Strom auskommen. Vergangenen Monat verkündete die PA, sie werde die Brennstofflieferungen Israels an die Kraftwerke im Gazastreifen nicht länger bezahlen. Mit diesem Schritt will die PA die Hamas schädigen. Abu Sharekh und andere Palästinenser im Gazastreifen machen jedoch die Hamas für die Krise verantwortlich. Ihrer Ansicht nach ist die Korruption der Hamas, insbesondere die Veruntreuung von Geldern aus Katar, die eigentlich zur Finanzierung von Brennstoff für die Kraftwerke gedacht waren, der Hauptgrund für die Krise. Abu Sharekh wies in seinem Facebook-Kommentar darauf hin, dass die Hamas-Führer in ihren Häusern private Stromgeneratoren eingebaut haben, die ihre Haushalte auch während der Stromausfälle mit Elektrizität versorgen.

In einem nie dagewesenen und mutigen Schritt gab Sharekhs Clan eine Erklärung ab, in welcher er die Hamas für die Verhaftung seines Sohnes aufgrund dessen freier Meinungsäußerung verurteilte: „Wir machen die Hamas allein verantwortlich für die Sicherheit und Gesundheit unseres Sohns und fordern das Ende der Verfolgung von ihm und seinesgleichen … Wir missbilligen und verurteilen jede Massnahme, die einen Angriff auf das Recht unserer Söhne, ihre politischen Ansichten frei zu äußern, darstellt – ungeachtet aller Ausreden.“

Abu Oun wurde verhaftet, weil er eine ähnliche Kritik an der Hamas auf Facebook gepostet hatte. Bereits früher hatte die Hamas auch die Journalisten Nasr Abu Foul, Ahmed Qdeih und Hazem Madi wegen der angeblichen Veröffentlichung von „fake news“ und der „Verbreitung von Gerüchten“ verhaftet. Ihr tatsächliches Verbrechen: Sie hatten kritische Kommentare über die Hamas in den sozialen Medien gepostet. Später verhaftete die Hamas aus demselben Grund auch die politischen Aktivisten Mohammed al-Tuli und Amer Balousheh. Ein weiterer palästinensischer Journalist aus dem Gazastreifen, der Opfer der Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch die Hamas wurde, ist Fuad Jaradeh, ein Korrespondent des Fernsehsenders Palestine TV. Sicherheitskräfte der Hamas verhafteten Jaradeh, nachdem sie sein Haus in Tel al-Hawa, einem Vorort von Gaza, durchsucht und dabei seinen Laptop und sein Mobiltelefon konfisziert hatten. Nach Aussage seiner Familie wurde er nur aufgrund seiner hamaskritischen Facebook-Posts verhaftet.

Witzig und traurig zugleich ist, dass die Palästinensische Autonomiebehörde, welche die Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch die Hamas im Gazastreifen kritisiert, schon seit langem dieselben Maßnahmen gegen ihre Kritiker im Westjordanland praktiziert. Jüngstes Opfer der Unterdrückung der öffentlichen Freiheiten durch die PA ist Nassar Jaradat, ein 23-jähriger politischer Aktivist, der Anfang der (letzten) Woche wegen seiner Kritik an dem führenden Palästinenservertreter Jibril Rajoub verhaftet wurde. Die Sicherheitskräfte der PA verhafteten Jaradat aufgrund eines Facebook-Kommentars, in dem er Rajoub kritisiert hatte, weil dieser das Recht der Juden auf die Klagemauer anerkannt hatte. Ein PA-Gericht beorderte Jaradat, einen Maschinenbaustudenten, daraufhin zu sich und nahm ihn wegen des Vergehens der „Beleidigung“ eines hochrangigen palästinensischen Offiziellen für 15 Tage in Untersuchungshaft. Auch vergangenes Jahr bewies die PA, dass sie nicht zögert, selbst Leute aus ihren eigenen Reihen zu verhaften, wenn sie es wagen, palästinensische Führer zu kritisieren. Osama Mansour, ein führender PA-Sicherheitsvertreter, wurde verhaftet und später gefeuert, weil er Mahmoud Abbas für dessen Teilnahme an der Beerdigung des ehemaligen israelischen Präsidenten Shimon Peres kritisiert hatte.

Solche Festnahmen sind mittlerweile unter der PA im Westjordanland alltäglich geworden. Nahezu jede Woche hören die Palästinenser, dass wieder ein Journalist oder Blogger oder Aktivist von den Sicherheitskräften der PA verhaftet oder zum Verhör vorgeladen wurde, nur weil er zuvor regierungskritische Kommentare in den sozialen Medien veröffentlichte.

Die Palästinenser hatten gehofft, einen eigenen, unabhängigen Staat zu erhalten. Was sie jedoch letztlich als Folge des Machtkampfs zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas bekommen haben, sind zwei separate Staaten – einen im Westjordanland und den anderen im Gazastreifen. Die wahre Tragödie der Palästinenser ist jedoch, dass weder die PA noch die Hamas die Menschenrechte oder die öffentlichen Freiheiten respektieren. Die wahre Tragödie der Palästinenser in den vergangenen Jahrzehnten war gescheiterte Führung – sowohl durch die säkulare PLO als auch durch die islamistische Hamas. Angesichts der aktuellen Lage der Palästinenser kann man sich kaum vorstellen, dass sie auf dem Weg zur Gründung eines erfolgreichen Staats mit Recht und Ordnung und Respekt vor den öffentlichen Freiheiten und der Demokratie jemals einen Fortschritt machen werden.

Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent. Artikel zuerst erschienen bei Gatestone Institute.

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