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Die Dauerbeleidigheit von Präsident Erdogan löst eine Flut an Klagen in der Türkei aus

Imago Images / Dean Pictures)

„Was mit der Causa Böhmermann gerade die Bundesregierung beschäftigt, ist nur der Ausläufer eines bizarren türkischen Massenphänomens: wie der Präsident aus seiner allgegenwärtigen Kränkbarkeit ein Machtinstrument macht, mit einer Mischung aus Herrschaftskalkül und Besessenheit. Zahllos sind die Beleidigungsklagen des türkischen Staatschefs. Sie beschäftigen Divisionen von Juristen, Agenten, Beamten, einfachen Bürgern.

In der siebenjährigen Amtszeit von Erdogans Vorgänger Abdullah Gül genehmigte das Justizministerium 545 Anklagen gemäß Paragraph 299 des Türkischen Strafgesetzbuches, der für die ‚Beleidigung des Staatspräsidenten‘ bis zu vier Jahre Haft vorsieht. In den nicht mal zwei Jahren seit Erdogans Vereidigung waren es hingegen schon 1845 Fälle, wie Justizminister Bekir Bozdag Anfang März bekannt gab. Seither dürfte die Marke von 2000 überschritten worden sein. Die Zahl wird nun immer wieder zitiert. Doch sie erfasst das Ausmaß des Beleidigte-Leberwurst-Komplexes nicht mal annähernd.

Denn nicht mitgezählt sind dabei Erdogans Zivilklagen auf Schmerzensgeld, die Disziplinarverfahren gegen Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Studenten sowie die Verfahren wegen ‚Beleidigung einer Amtsperson‘ aus Erdogans Zeit als Ministerpräsident, zu denen auch das Gollum-Verfahren gehört. Nicht mitgezählt sind schließlich die Beleidigungsanzeigen gegen Parlamentsabgeordnete, die Immunität genießen.

‚Wenn man all das zusammennimmt, sprechen wir von über 10.000 Verfahren‘, sagt der Jurist Kerem Altiparmak von der Universität Ankara, der das Thema erforscht. ‚Das ist eine ganze Industrie, die ein politisches Ziel verfolgt: einschüchtern und abschrecken.‘“ (Der Türkei-Korrespondent Deniz Yücel in der deutschen Tageszeitung Die Welt: Der Leberwurst-Komplex. Wen Erdogan verklagt“)

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