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DER UNTERSCHIED

Thomas Seifert beschreibt in seinem Presse-Kommentar ein Gespräch, das vergangenen April im Holocaust-Museum in Los Angeles zwischen US-Präsident Obama und dem Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel stattgefunden hat. Demnach erklärte Obama, die Verhinderung von Massenmorden sei ein Kerninteresse der Vereinigten Staaten. „Deshalb“ so der Präsident, „haben wir Flugzeuge gegen Muammar al-Gaddafi geschickt“, worauf Wiesel konterte: „Warum ist Assad noch an der Macht?“ Hier endet Seiferts Wiedergabe des Gesprächs, doch Wiesels Frage soll nicht offen bleiben. Die prägnanteste Antwort stammt vom libanesisch-amerikanischen Politikwissenschaftler Fouad Ajami. Danach gefragt, was der Unterschied zwischen Libyen und Syrien sei, antwortete er: Als Gaddafi die Bevölkerung seines Landes ermordete, schickte der Westen die Kampfflugzeuge der NATO. Als Bashar al-Assad die Bevölkerung seines Landes ermordete, schickte der Westen Kofi Annan.

Einmal zum UNO-Sondergesandten für Syrien ernannt, verhandelte Annan den nach ihm benannten Friedensplan zur Beendigung der Gewalt. Der Plan war von Anfang an illusorisch, schon der als erster Schritt geplante Waffenstillstand kam nie zustande. Dennoch hält Annan weiter an ihm fest und glaubt noch immer an dessen Umsetzung. Das allerdings sollte keine Überraschung sein.

Als Annan Leiter der UN-Friedensmissionen war, fand zuerst das Massaker in Ruanda und dann jenes in Srebrenica statt. In seine Zeit als UN-Generalsekretär – Misserfolge haben bei den Vereinten Nationen noch selten eine Karriere behindert, und so stieg auch Annan in der UN-Hierarchie weiter auf – fiel der so genannte Oil-for-Food-Skandal, der vermutlich größte Korruptionsfall der Geschichte der UNO: Was als Hilfsprogramm für die irakische Bevölkerung geplant war, entwickelte sich zu einem dreckigen Geschäft, bei dem Saddam Hussein mit Millionenbeträgen, die er aus dem Schmuggel von Öl bezogen hatte, Menschen in einflussreichen Positionen schmierte – darunter u.a. jenen Mann, der von Kofi Annan mit der Leitung des Oil-for-Food-Programmes betraut worden war. Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, stellte sich auch noch heraus, dass auch Annans Sohn in den Skandal verwickelt war.

Für Kofi Annan war selbst offenkundiges Scheitern noch nie ein Grund dafür, Konsequenzen zu ziehen, persönliche Verantwortung zu übernehmen und seinen Hut zu nehmen. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass es in Syrien anders sein wird. Über die Gründe für das bis heute beschämende Agieren des Westens in der Syrien-Krise ließe sich trefflich streiten. Dass aber Kofi Annan zum Sondergesandten ernannt wurde, verhieß von Anfang an nichts Gutes.

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