BRIEF AN DIE PRESSE: ISRAEL UND DIE PROTESTE IN DER ARABISCHEN WELT

Sehr geehrte Presse-Redaktion,

im Spectrum vom vergangenen Samstag schrieb Tessa Szyszkowitz in ihrem Artikel über Israel und den „arabischen Frühling“ über das Scheitern des Versuchs des Nahostquartetts, Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern wieder in Gang zu bringen:

„Israels Regierung verlangt als Vorbedingung vom palästinensischen Präsidenten, dass er Israel als jüdischen Staat anerkennt. Mahmoud Abbas kann dies nicht tun, schließlich sind 20 Prozent der Israelis moslemische oder christliche Palästinenser. Israel baut zwischenzeitlich weiter Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem.“

Diese Behauptung ist frei erfunden: Zu keinem Zeitpunkt hat die israelische Regierung die Anerkennung von Israel als jüdischem Staat durch die Palästinenser zur Vorbedingung für die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen erhoben. Ganz im Gegenteil: Benjamin Netanjahu hat die Palästinenser in den vergangenen Jahren nachweislich wiederholt dazu aufgerufen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und ohne Vorbedingungenwieder in einen Verhandlungsprozess einzutreten. Tatsächlich stellt Szyszkowitz die Realität auf den Kopf, indem sie verschweigt, dass ausschließlich die palästinensische Seite Vorbedingungen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen stellt – konkret die Einstellung des israelischen Siedlungsbaus – und sich damit auch gegen das Nahostquartett positioniert, das in seinem Statement vom 23. September ganz unzweideutig zu Verhandlungen „without delay or preconditions“ aufrief.

Dabei ist daran zu erinnern, dass Israel im November 2009 schon einmal ein zehnmonatiges Moratorium über den Siedlungsbau im Westjordanland verhängt hat, die Palästinenser in dieser Zeit aber dennoch nicht zu Verhandlungen bereit waren. Der ehemalige amerikanische Sonderbeauftragte für den Nahostfriedensprozess, George Mitchell, zog unlängst bei einer Veranstaltung des renommierten Chatham House sein Resümee über diese Episode:

 „I personally negotiated with the Israeli leaders to bring about a ten month halt in new housing construction activity. The Palestinians opposed it on the grounds, in their words, that it was worse than useless. So they refused to enter into the negotiations until nine months of the ten had elapsed. Once they entered, they then said it was indispensable. What had been worse than useless a few months before then became indispensable and they said they would not remain in the talks unless that indispensable element was extended.”

 Es ist höchst bedauerlich, dass Szyszkowitz in ihrer Interpretation der aktuellen Vorgänge, über die man durchaus geteilter Meinung sein kann, „Fakten“ präsentiert, die so offenkundig nicht der Wahrheit entsprechen. Die Lage im Nahen Osten ist bereits verworren genug; die Diskussion darüber sollte nicht noch zusätzlich durch die Verbreitung nachweisbarer Unwahrheiten weiter kompliziert werden.

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