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Beendet Barzanis Rücktritt die Familienherrschaft in Irakisch-Kurdistan?

„Am 29. Oktober versammelte sich das Parlament Irakisch-Kurdistans zu einer historischen Sitzung, in der das Rücktrittsschreiben Präsident Massoud Barzanis verlesen wurde und seine Vollmachten als Präsident auf das Parlament, die Regierung und die Justiz übertragen wurden. ‚Ich weigere mich, die Rolle des Präsidenten der Region ab 1. November 2017 weiter wahrzunehmen’, so Barzani. Sein Rücktritt ist eine entscheidende Voraussetzung für einen Neuanfang in der kurdischen Region. In den vergangenen 26 Jahren haben die beiden kurdischen Erzrivalen, die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und die Patriotische Einheitspartei Kurdistans (PUK), die politische Szene in Irakisch-Kurdistan dominiert.

Wenn wir von diesen beiden Parteien sprechen, sprechen wir in Wirklichkeit natürlich von zwei Familien: den Barzanis und den Talabanis. Doch haben die jüngsten Entwicklungen nachdrücklich die Unfähigkeit und Unverantwortlichkeit des familienbasierten Modells von politischer Autorität und Regierungsmacht in Irakisch-Kurdistan demonstriert. Die übermäßige Abhängigkeit des politischen Systems von diesen beiden Familien hat die kurdischen Institutionen und den Staatsbildungsprozess untergraben. Die Lektion haben wir jetzt gelernt. Es ist an der Zeit, die Ära der Familienherrschaft hinter uns zu lassen und neue Institutionen in Irakisch-Kurdistan zu bauen. (…)

Die kurdische Unabhängigkeit kann man nicht einfach verkünden. Sie muss erarbeitet werden. Es ist an der Zeit, einen Weg aus der Krise zwischen Bagdad und der Kurdischen Regionalregierung (KRG) zu finden und sich der Zukunft zuzuwenden.Dabei gibt es viel zu tun. Die KRG hat zum Teil seit August die Gehälter ihrer Beamten nicht mehr zahlen können. Sie tut sich schwer mit der Redefreiheit und dem Aufbau funktionierender Institutionen. Es ist an der Zeit, dass die irakischen Kurden ein neues Kapitel der freien und fairen Wahlen, der verantwortungsbewussten Regierungsführung und der Demokratie beginnen. Irakisch-Kurdistan, ob unabhängig oder halbautonom, braucht Institutionen, Inklusivität und soziale, kulturelle und politische Demokratie.

Angesichts des gegenwärtigen Umbruchs brauchen die irakischen Kurden keine obersten Führer und Machthaber, sondern einen unmittelbaren Plan für reformierte Institutionen und ein funktionierendes demokratisches Parlament. Dies ist zwingend erforderlich, um den familiengebundenen Autoritarismus in Irakisch-Kurdistan zu beenden. Unterdessen sollten die irakisch-kurdische Führung und Gesellschaft eine Wiederholung der blutigen Erfahrungen der 1990er Jahre vermeiden. Damals erlebte Irakisch-Kurdistan einen Bürgerkrieg, der in der Spaltung der Administration gipfelte: Die eine war in Erbil ansässig und wurde von der KDP geleitet, die andere wurde von der PUK angeführt und war in Suleimanija ansässig.“ (Barbara Saleh: „Could Barzani’s resignation mark the end of family rule in Kurdistan?“)

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