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Die Gay-Pride im Libanon und die Folgen

Die Gay-Pride im Libanon und die Folgen„Doch gibt es zu dieser wachsenden öffentlichen Präsenz auch eine Gegenreaktion der mächtigen politischen und konfessionellen Fraktionen im Libanon. Während sunnitische Extremisten noch dabei waren, Drohungen gegen die [Gay-Pride-]Konferenz in Beirut auszusprechen, organisierte Berichten zufolge eine christliche Kirche in Tripoli, der zweitgrößten Stadt des Libanons, bereits eine eigene Konferenz, auf der Möglichkeiten zur Bekehrung Homosexueller zu ‚normativem Sexualverhalten’ diskutiert werden sollen. Selbst der mächtigste Mann im Libanon, der Generalsekretär der Hisbollah Hasan Nasrallah fühlte sich bemüßigt sich einzuschalten und äußerte heftige Kritik an den westlichen Ländern, die die Homosexualität in den Libanon exportiert hätten. ‚Homosexueller Verkehr geht gegen die Logik, die menschliche Natur und den menschlichen Geist’, erklärte er. Trotz der zu erwartenden Dämonisierung sehen manche in der Tatsache, dass die mächtigen religiösen Institutionen und politischen Führungskräfte im Libanon sich gezwungen sehen, sich überhaupt zur Homosexualität zu äußern, schon einen Durchbruch. ‚Wenn Nasrallah sich bei einer Fernsehübertragung gezwungen sieht, einen Teil seiner Rede der Homosexualität zu widmen … ist das meines Erachtens eine gute Sache’, sagte Mustapha Jundi, ein in Beirut lebender Schwuler.

Die zunehmende Debatte um die Rechte von LGBT-Menschen im Libanon ist ein Ausdruck der sich verändernden politischen Landschaft. Das Machtgefüge des Landes ist seit langem durch die konfessionelle Konkurrenz gekennzeichnet, auf der das politische System beruht. Um die Balance zwischen den verschiedenen muslimischen und christlichen Gruppen zu wahren, werden die Sitze im Parlament und in der Regierung des Libanons den jeweiligen religiösen Sekten zugeteilt. Ja, in dem Land tobte in den 1970er und 1980er Jahren ein fünfzehnjähriger Bürgerkrieg, dessen Fronten sich weitgehend mit den Grenzen zwischen den Konfessionen deckten. So geht es in den politischen Debatten im Libanon üblicherweise um das Verhältnis zwischen diesen Konfessionen – um Konflikte zwischen Muslimen und Christen oder zwischen Sunniten und Schiiten. Dieses Sektierertum gilt seit langem als eine Pest, der das Land seine ineffektive Regierung, die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft unter den herrschenden Eliten und die wachsende Armut zu verdanken hat. Fragen der Geschlechteridentität und Sexualität lenken die öffentliche Aufmerksamkeit weg von einer konfessionellen Ausrichtung und hin zu einem an Bürgerrechten orientierten Verständnis – alles Themen, die der herrschenden politischen Klasse, gleich ob es sich nun um die Hisbollah oder die sunnitischen oder christlichen Institutionen handelt, zutiefst zuwider sind.“ (Antoun Issa: „In Lebanon, gay activism is fueling a new conversation about democracy and civil rights“)

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