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Warum Europas Linke nichts gegen Diktatoren hat

Von Stefan Frank

In einem neuen Essay rechnet der Publizist Jamie Palmer mit der westlichen Linken ab: Deren Unfähigkeit, sich von Diktatoren wie etwa Syriens Schlächter Assad ordentlich abzugrenzen beruht letztlich  auf ihrer fehlenden Wertschätzung demokratischer Freiheit.

syria_friedensbewegung2011, als der syrische Bürgerkrieg von heute aus betrachtet noch am Anfang stand – bzw. noch gar nicht als solcher wahrgenommen wurde –, führte ich ein Interview mit dem Politikanalysten Jonathan Spyer vom GLORIA-Center in Herzlya, einem Nahost-Thinktank, der heute Rubin Center heißt (nach dem 2014 verstorbenen Barry Rubin). Spyer kennt sich mit Syrien aus, er ist einer von wohl sehr wenigen Israelis, die in den letzten Jahren in Syrien waren – heimlich, versteht sich.

Ich sprach Spyer auf eine Einschätzung an, die ich auf einer amerikanischen Website gelesen hatte: dass der Konflikt in Syrien dazu führen werde, dass die Welt nicht mehr mit dem Finger auf Israel zeigen könne, schließlich kämen in Syrien viel mehr Araber gewaltsam ums Leben als in den Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und den Terrorgruppen (zu dem Zeitpunkt waren es einige Tausend, inzwischen sind es Hunderttausende). Spyers prompte Antwort lautete:

„Auch vor 2011 hatte die Welt keine Entschuldigung dafür, nicht zu wissen, dass arabische Diktatoren äußerst brutal sind. Israel hat nie Giftgas eingesetzt wie Saddam Hussein. Die arabischen Regime, vor allem die nationalistischen Militärregime, gehören zu den brutalsten und repressivsten des Planeten. Das war schon vor 2011 eine Tatsache. Ich glaube nicht, dass sich die Sichtweise der Welt oder der westlichen Welt ändern wird. Man billigt anderen Ländern Dinge zu, die man Israel niemals erlauben würde. Dies wird sich durch Assads Taten nicht ändern. Im Gegenteil hat er ja bewiesen, womit man alles davonkommen kann. Er hat 2.600 seiner Bürger getötet, und die Reaktion der Welt kam sehr spät und sehr schwach. Ich würde gern glauben, dass die Welt sich nun plötzlich ein eher der Wahrheit entsprechendes Bild des Nahen Ostens macht, aber ich glaube, das wäre naiv.“

Heute ist die Reaktion der Welt so teilnahmslos wie damals, ein Umstand, der immer wieder zu neuen Erklärungsversuchen auffordert. „Warum schweigen so viele pro-palästinensische Aktivisten, während das syrische Regime und seine russischen Verbündeten Zivilisten abschlachten?“, fragt Jamie Palmer in einem Beitrag, der auf der Nahostwebsite The Tower erschienen ist und viele wertvolle Informationen und Gedanken bietet. 

 

Syrische Dissidenten: „Zu spät für Solidarität“

Palmer zitiert aus einem Interview mit dem syrischen Dissidenten Al Haj Saleh, das im November 2014 auf der sozialistischen Website New Politics erschien. Saleh wurde gefragt, was „die westliche Linke am besten tun kann, um Solidarität mit der syrischen Revolution gegen das Regime von Bashar al-Assad zu zeigen“. Er antwortete:

„Ich fürchte, es ist für die Linken im Westen zu spät, irgendeine Solidarität mit den Syrern in deren extrem hartem Kampf zu zeigen. Was ich in dieser Hinsicht immer sehr verblüffend fand, ist, dass die westlichen Mainstreamlinken fast nichts über Syrien wissen, über seine Gesellschaft, sein Regime, sein Volk, seine Wirtschaft, seine jüngere Geschichte. Selten finde ich in ihren Analysen eine nützliche Information oder einen wirklich kreativen Gedanken. Ich habe den Eindruck, dass sie uns einfach nicht sehen. Es geht überhaupt nicht um uns. Syrien ist nur ein gelegentlicher Anlass für ihre alten antiimperialistischen Tiraden, niemals aber ein lebendiger Gegenstand der Debatte.“

Palmers These: Die Position, jegliche westliche Intervention gegen Tyrannen zu verdammen, sei nach dem Ende des Kalten Krieges schwächer geworden, doch mit dem Irakkrieg 2003 sei sie mit aller Macht zurückgekehrt und nunmehr wieder eine feste Doktrin der Linken. Er weist auf eine hierzulande wenig bekannte Kontroverse hin, die es in Großbritannien Ende 2002 gab und an der sich auch Edward Said, der vielleicht einflussreichste arabische Stichwortgeber der antiwestlichen Linken, beteiligte. Es war ein Streit, der, wie Palmer sagt, „auf perfekte Weise die derzeitigen Auseinandersetzung über Syrien vorwegnahmen“. Neun Jahre zuvor hatte nämlich der Exiliraker Kanan Makiya ein Buch mit dem Titel „Cruelty and Silence“ („Grausamkeit und Schweigen“) veröffentlicht, in dem er die Schrecken und Gräuel unter dem irakischen Ba’ath-Regime schilderte und die „antiimperialistischen“ und „postkolonialen“ Theoretiker anklagte, die, wie er argumentierte, Verrat an den Opfern der totalitären Regime des Nahen Ostens begingen.

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Edward Said

Vor allem arabische Intellektuelle seien so besessen von Orientalismus, Kolonialismus, Zionismus und amerikanischem Neoimperialismus, dass sie zu vergessen scheinen, dass auch Araber politische und moralische Verantwortung trügen, so Makiya. „Er zählte all die phantastischen Verdrehungen auf, die diese Intellektuellen machten, um sich selbst und andere davon zu überzeugen, dass Saddam Husseins unprovozierter Überfall auf Kuwait im August 1990 entweder gerechtfertigt gewesen sei oder Amerikas Schuld“, schreibt Palmer. Gefangen in einer „Mischung aus nahöstlichem Opferkult und Selbstmitleid“, die Makiya „den größten Killer der Solidarität mit anderen“ nannte, den jemand überhaupt erfinden konnte, hätten sie einen Transfer von Verantwortung vorgenommen, „weg vom irakischen Ba’ath-Regime, wo sie so offensichtlich hingehörte, hin zu den Vereinigten Staaten. Mit dieser Übung spielten diese Antikriegsaktivisten … den schlimmsten Despoten in die Hände“.

Soweit Makiya Anfang der Neunziger Jahre. Ende 2002 nun erneuerte Makiya diese Vorwürfe und bezichtigte Edward Said, den von Saddam Hussein 1988 angeordneten Giftgaseinsatz gegen die Kurden zu leugnen oder anzuzweifeln. Said, so Palmer, „antwortete, indem er Makiya einen Verräter an der palästinensischen Sache nannte und ihm vorwarf, einen essentialistischen (soll heißen: rassistischen) Blick auf die Araber zu haben“.

Ist das nicht grotesk, dass vielen in unserer Gesellschaft – denn Said spricht für eine nicht ganz kleine Gruppe von heutigen Intellektuellen – ausgerechnet derjenige als arrogant, hochmütig oder sogar „rassistisch“ gilt, der Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Rechte des Einzelnen für alle Menschen der Welt einfordert? Ist es nicht eher rassistisch, Menschenrechte, die doch universell sein sollen, einem Großteil der Menschheit vorenthalten zu wollen, mit dem Argument, Despotismus, religiöse Raserei und Clanherrschaft seien eben der sozusagen naturgemäße Zustand in vielen Teilen der Welt? Und ist es nicht rassistisch, dass man dieser Sklaverei – denn um nichts anderes handelt es sich – mit Respekt und Achtung begegnen soll?

 

Labourführer an der Seite Assads

Es gibt einen Diskurs, der um die Idee kreist, dass wir im Westen nicht das Recht hätten, über Despoten zu urteilen und schon gar nicht dazu, etwas zu unternehmen, das sie an ihrem Treiben hindern könnte. Welche Blüten der treibt, zeigt Palmer an mehreren Beispielen. Nachdem syrische Regierungstruppen im August 2013 Giftgas eingesetzt hatten, sah es einen Moment lang so aus, als sähe sich der Westen zum Eingreifen genötigt – Obamas „rote Linie“ war überschritten. Just in diesem Augenblick begann eine Gruppe linker „Kriegsgegner“ in Großbritannien, sich erstmals für den Konflikt zu interessieren: Ihnen ging es allein darum, dass ihre Regierung unter gar keinen Umständen intervenieren dürfe. Palmer schreibt:

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Jeremy Corbyn und Tariq Ali

Als einen anderen bekannten Vertreter dieser Richtung nennt Palmer den Journalisten Robert Fisk, „den alternden Nahostexperten des Independent, der sich zum Assad-Stenografen gewandelt hat“. In einem seiner Kommentare hatte Fisk 2015 die russische Luftwaffe in den höchsten Tönen für deren angebliche Humanität gepriesen: „Die Syrer haben gemerkt, dass die Russen nicht auf Ziele in dicht besiedelten Gebieten feuern. Sie beabsichtigen, brennende Krankenhäuser und Tote auf Hochzeitsfeiern den Amerikaner in Afghanistan zu überlassen.“ In einem anderen Kommentar pries Fisk die syrische Armee für ihre Rücksichtslosigkeit: „Wenn sie gewinnt, dann wird die syrische Armee aus dem derzeitigen Krieg als die rücksichtsloseste, am meisten in der Schlacht trainierte und am meisten kampferprobte Armee in der gesamten Region herauskommen. Wehe jedem Nachbarn, der das vergisst.“ Mit dem „Nachbarn“ meinte Fisk natürlich Israel: Er freute sich offenbar darüber, dass die Erfahrung im Töten, die die syrischen Soldaten gesammelt haben, ihnen irgendwann einmal auch beim Töten von Israelis zugute kommen könnte.

Verschwörungstheorien

Das „antiimperialistische“ Weltbild, das im Kern besagt, dass demokratische Staaten böse seien, Diktaturen aber gut – sofern sie auf einer antiwestlichen Ideologie basieren, versteht sich –, gerät natürlich immer wieder mit der Wirklichkeit in Konflikt. Nicht, dass Fakten etwas wären, um das sich der Antiimperialist kümmern müsste; aber er will auch Leute beeinflussen, die eine Spur weniger wahnhaft sind als er selbst. Für diese Zielgruppe erfindet er Verschwörungstheorien, mit denen er erklärt, dass in Wirklichkeit alles anders sei, als es scheine und der Westen irgendwie bei jedem von einem antiwestlichen Potentaten verübten Verbrechen seine Finger im Spiel habe – sei es, um irgendeinen Diktator zu stürzen oder ihn schlecht aussehen zu lassen (als ob das nötig wäre).

Palmer nennt als Beispiel den Anti-Israel-Blogger Max Blumenthal (der in Deutschland bekannt wurde, als er von Abgeordneten der Linken zu einem Treffen ins Bundestagsbüro eingeladen wurde und am Rande dieser Veranstaltung den Linken-Politiker Gregor Gysi buchstäblich bis auf die Toilette verfolgte, um ihn dazu zwingen, zu erklären, warum er Kritik an der Einladung Blumenthals geäußert habe).

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Max Blumenthal

Wie Palmer berichtet, ist Blumenthal ein ausgesprochener Freund des Assad-Regimes und verbreitet, dass es eine Verschwörung zu dessen Sturz gebe, „ein Netzwerk aus finsteren Gruppen, anonymen Spendern, reichen Exilanten, Regierungsagenturen, Medientölpeln und anderen interessierten Parteien, die sich verschworen hätten, die öffentliche Meinung im Westen zu manipulieren. Ihr Ziel sei ein Regimewechsel in Syrien, und Blumenthal argumentierte, dass eine Flugverbotszone dieses offenbar von ihm nicht erwünschte Ergebnis nach sich ziehen werde.“

Die Weißhelme, eine Organisation, die in Syrien verschüttete Zivilisten aus zerbombten Häusern befreit – wobei schon über hundert ihrer Helfer ihr Leben verloren haben –, bezichtigte Blumenthal, eine Tarnorganisation zum Sturz Assads zu sein. Diese Behauptung war dann, wie Palmer schreibt, auch vielen arabischen Freunden Blumenthals zu absurd und bösartig. „Es war die übliche, standardisierte Verschwörungstheorie, die vorgibt zu enthüllen, dass die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, dabei schwer aufgeladen mit Andeutungen und einer verhängnisvollen Atmosphäre, doch leicht an Logik und Substanz und genährt von jugendlicher Misanthropie“, so Palmer.

 

Zweierlei Linke

An dieser Stelle muss man eine Unterscheidung treffen, auf die Palmer verzichtet (was in einem Essay, der durchaus plakativ sein darf, erlaubt ist). Palmer redet von an einer Stelle von der „pro-palästinensischen Linken“, dann von der „Antikriegslinken“ und oft einfach von „der Linken“, wobei der Leser den Eindruck gewinnt, dass diese Begriffe für ihn wechselseitig austauschbar sind und er eigentlich einfach „die Linke“ meint. Man sollte aber zwei Sorten von Linken unterscheiden: Es gibt Menschen mit genuinen moralischen Anliegen, die sich, warum auch immer, als „Linke“ bezeichnen. Daneben gibt es eine große Gruppe von Leuten, für die Linkssein eine Frage des Images ist. Vor sich selbst und anderen wollen sie das Bild eines Linken abgeben, weil diese im Ruf stehen, edle und scharfsinnige Menschen zu sein. Hinter diesem Narzissmus steckt häufig eine große Ladung Hass: auf sich selbst, auf die Gesellschaft, auf die Welt. Irgendjemandes Leben besser machen zu wollen, ist für sie nicht etwa Antrieb, sondern ein fadenscheiniger Vorwand in ihrem blindwütigen Krieg gegen den Westen, gegen den „Kapitalismus“, gegen Israel, gegen Demokratie und gegen alle Regungen von Freiheit überhaupt. Weil sie die Menschen hassen, vergöttern sie Terroristen und Diktatoren, verherrlichen Unterdrückung.

 

Des Kaisers neue Kleider

In ihrer Propaganda freilich erscheint es genau umgekehrt: Die Terroristen und Diktatoren, so sagen sie, seien in Wirklichkeit Freiheitskämpfer und Menschenfreunde. Das ist nicht nur ein propagandistischer Trick, sondern es schmeichelt ihnen selbst – dass sie so klug sind zu „erkennen“, dass in Wirklichkeit alles anders ist als es scheint, dass in Wirklichkeit die Bösen die Guten sind, sofern sie nur Feinde des Westens sind. Es ist wie in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, in dem es darum geht, dass vorgeblich nur kluge Menschen die „Kleider“ des – in Wirklichkeit nackten – Kaisers sehen können.

Das Tragische ist, dass die wirklich um Humanität Besorgten und diejenigen, die dies nur aus taktischen Gründen vorgeben, sich immer wieder vermischen und diese jenen immer wieder auf den Leim gehen, weil sie deren Propaganda und Selbstdarstellung für bare Münze nehmen.

 

Isolationismus keine Domäne der Linken

Before Pearl Harbor, aviator Charles Lindbergh was so vocal about his opposition to U.S. involvement in World War II that he became an unofficial leader of America's isolationist movement.
Cahrles Lindbergh

Weil so viel von den Linken die Rede war, müssen wir schließlich fragen: Was ist mit den Rechten bzw. Konservativen? Dürfen wir, weil Palmer nur von der Schuld und den Fehlern der Linken spricht, annehmen, dass dies alles für die anderen nicht gilt? Nein. Isolationismus – so nennt man in den USA die Haltung, wonach sich Amerika aus den Belangen der übrigen Welt nach Möglichkeit heraushalten sollte – ist eigentlich eine Erfindung der Rechten. 1940/41 führte eine Gruppe mit dem Namen „America First“, an der sich auch der Atlantikflieger Charles Lindbergh beteiligte, in amerikanischen Städten einen Werbefeldzug gegen einen Kriegseintritt der Vereinigten Staaten. Auf ihrem Höhepunkt hatte die Organisation 800.000 zahlende Mitglieder (fünf Tage nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor wurde sie aufgelöst).

Während der radikale Isolationismus in Amerika heute eine Domäne von Spinnern ist, die meist entweder der extremen Rechten oder Linken zuzuordnen sind, ist eine moderate Spielart dieser Haltung, die besagt, dass die USA ihr Engagement im Rest der Welt deutlich zurückfahren müssten, sehr populär und gehört auch zum Repertoire des designierten Präsidenten Donald Trump.

Es gibt allerdings einen bedeutenden Unterschied zwischen diesem Schlag von Isolationisten und denen der Linken: Jene lehnen es zwar ab, selbst einen Finger dafür zu rühren, einen Diktator wie Assad zu stürzen; es macht ihnen aber nichts aus, wenn er ohne ihr Zutun fällt. Ganz anders die „Antiimperialisten“: Sie sind begeisterte Diktatorenliebhaber; würde im Iran oder einem arabischen Land die Demokratie Einzug halten, würde ihnen das nicht behagen.

 

Diktatoren und ihre Fürsprecher

Dabei fällt auf, wie sie die Propaganda dieser Regime in sich aufsaugen. Die idiotische Behauptung, der Westen (bzw. der „Zionismus“) führe einen Krieg gegen Syrien, um dort die Macht zu erlangen, entspringt ja dem Selbstbild der Assad-Dynastie. „Diese Strategie“, schreibt Barry Rubin in seinem Buch „The Truth About Syria, sei auch „nötig, um die Aufmerksamkeit und den Hass auf die äußeren Feinde zu fokussieren, die Unzulänglichkeiten im Inneren zu entschuldigen und die Herrschaft zu rechtfertigen“.

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Noam Chomsky

Wenn westliche Linke die Propaganda von Tyrannen übernehmen und weiterverbreiten, dann tun sie etwas, was sie jahrzehntelang eingeübt haben; man denke nur an Noam Chomsky, der 1977 Pol Pot verteidigte und erklärte, die Roten Khmer hätten „höchstens einige Tausend“ Menschen hingerichtet.

 

Die Funktion der Anti-Israel-Ideologie

Es ist nicht zuletzt ihre Anti-Israel-Ideologie, die es vielen so schwer macht, Massaker in Syrien und andere Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen und dagegen vorzugehen. Ein Vertreter der Arabischen Liga, der 2011 in einem Artikel der ägyptischen Zeitung Al-Ahram zitiert wurde, gab das offen zu. Das Blatt berichtete:

„Obwohl sie die Gewalt gegen demonstrierende Zivilisten verurteilt, die es in arabischen Ländern seit Jahresbeginn gab, hat sich die Arabische Liga immer noch nicht zu der gewaltsamen Reaktion des Regimes von Bashar Al-Assad auf die Proteste in Syrien geäußert. ‚Das ist schwierig. Syrien ist schwierig’, sagte ein Offizieller der Arabischen Liga. Er fügte hinzu: ‚Syrien ist anders als jedes andere arabische Land.’“

Warum das?

„Laut diesem Offiziellen der Arabischen Liga und auch nach anderen arabischen Diplomaten ist der Grund dafür, dass Syrien ‚anders’ ist, die seit über drei Jahrzehnten währende israelische Besatzung der syrischen Golanhöhen. Ein Land unter israelischer Besatzung zu sein, darin stimmen arabische Diplomaten überein, verleiht dem herrschenden Regime in Damaskus eine Sonderstellung. Das Recht der Syrer auf Demokratie werde dadurch nicht außer Kraft gesetzt, ‚aber man muss sich sorgen, ob Israel nicht vielleicht bei dem, was passiert, seine Finger im Spiel hat’.“

Im Klartext: Ein Feind Israels zu sein, kann eines der brutalsten Regime der Welt vor Kritik – und Intervention – schützen. Die Arabische Liga hat diese Position inzwischen aufgegeben, doch man kann die Frage stellen, ob das Blutvergießen in Syrien nicht frühzeitig von außen hätte gestoppt werden können, wenn der Hass auf Israel nicht wie ein Schutzschild des Regimes gewirkt hätte. Auch US-Präsident Barack Obama hat vielleicht deshalb vor einem Eingreifen zurückgeschreckt, weil er Angst hatte, dies könne wie eine Intervention zugunsten Israels verstanden werden. Wenn das so wäre, dann hätte der Hass auf Israel wieder einmal vor allem arabische Menschenleben gekostet.

 

Fehlende moralische Klarheit

„Der grundlegend und schwerste Fehler des Antiimperialismus“, so Palmer, „ist seine Weigerung, eine klare moralische Unterscheidung zwischen Demokratie und Diktatur zu treffen, und folglich zwischen Freiheit und Tyrannei.“ Die zerbombten syrischen Städte entlarvten die Behauptung der Linken, am Wohl der Araber interessiert zu sein, als „schmutzige Lüge“. Die Antitotalitären, nicht die Antiimperialisten seien die wahren Anwälte des syrischen Volkes. „Dieselbe Koalition aus liberalen Falken und Neokonservativen, die die Befreiung des Irak unterstützte, unterstützt nun aus denselben Gründen eine Intervention in Syrien“, so Palmer. Aktivisten, die bislang die antiimperialistische Weltsicht gehegt hätten, dass der Westen für alles Elend der Welt verantwortlich sei, würden sich sicherlich nicht so leicht daran gewöhnen können. „Doch inzwischen sollte es offensichtlich sein, dass es keinen Sinn hat, von denjenigen Unterstützung im Kampf für Demokratie zu erwarten, die den Wert demokratischer Freiheit gar nicht verstehen.“

Artikel zuerst erschienen auf Audiatur Online.

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